Bei den Stuttgarter Kickers schrillen nach dem 1:2 gegen die Würzburger Kickers die Alarmglocken. Vom Teamgeist, der den Fußball-Drittligisten lange Zeit so stark machte, ist nichts mehr zu sehen. Die Gründe sind vielschichtig.
Stuttgart - Als der Schlusspfiff nach der verdienten 1:2(1:1-)-Heimniederlage gegen Aufsteiger Würzburger Kickers ertönte, sackten die meisten Spieler enttäuscht zu Boden. Oben auf der Tribüne saßen mit versteinerten Mienen Präsident Rainer Lorz und Aufsichtsratschef Christian Dinkelacker. Die Fans hatten schon Minuten vorher mit lautstarken „Aufhören“-Rufen ihrem Unmut über den blutleeren Auftritt Luft gemacht. Nach der Partie gab es hitzige Diskussionen mit den Spielern vor dem Zaun des B-Blocks. Am Ende verabschiedete ein Teil der Dunkelblauen das Team mit einem aufmunternden „Auf die Blaue!“ in die Kabine. Doch die Probleme bleiben.
Fehlender Teamgeist: Einer für alle, alle für einen? Von wegen. Bei den Kickers steht keine Einheit auf dem Platz. Dabei hat gerade der Zusammenhalt die Blauen stark gemacht. Das war unter Dirk Schuster so. Und auch nach dem Einstieg von Michael Zeyer und Horst Steffen im September 2013 lebte die Mannschaft vom Teamgeist. Sportdirektor und Trainer verband das gleiche Schicksal: Für beide waren die Kickers eine Riesenchance. Genauso wie für die arbeitslosen Spieler, denen die Blauen eine Plattform boten. Diese Zweckgemeinschaft schaffte mit vereinten Kräften den Klassenverbleib. Im Jahr danach sogar Platz vier. Die Ansprüche stiegen. Und jetzt? Das Gesicht der Mannschaft hat sich verändert. Die Neuen sind nun keine Spieler mehr, die dankbar sind, nicht mehr stempeln gehen zu müssen, sondern eher enttäuscht darüber, dass es für sie mit dem Sprung in die zweite Liga nicht geklappt hat. Hinzu kommt: Urgesteine wie Fabian Gerster und Nick Fennell sind nicht mehr dabei. Sie lebten auch auf der Bank mit und hielten die Werte des Vereins hoch.
Verunsicherter Kapitän: Der Mann, der die Truppe durch Hochs und Tiefs als „Papa“ führte, war Enzo Marchese. Das Problem: Er läuft seiner Form meilenweit hinterher. Darunter leidet naturgemäß auch seine Autorität außerhalb des Platzes. Dass der Spielmacher mit 32 allmählich ans Limit kommt, war abzusehen. Warum hat der Verein im Sommer keinen adäquaten Ersatz verpflichtet? Man hätte Marchese eine ähnliche Rolle zukommen lassen können, wie sie Sebastian Kehl zuletzt bei Borussia Dortmund spielte.
Klares Bekenntnis zu Horst Steffen
Trainer-Diskussion: Zumindest zwei konkrete Angebote anderer Clubs dürften Horst Steffen ins Grübeln gebracht haben. Diese Verunsicherung übertrug sich offenbar aufs Team. Inzwischen hat sich Steffen bis Saisonende zu den Blauen bekannt – und muss nun um seinen Job bangen? Das für den Sport zuständige Präsidiumsmitglied Frieder Kummer sagt eindeutig: Nein. „Horst Steffen erreicht das Team uneingeschränkt“, sagte er auf Nachfrage und fügte hinzu: „Es kann nicht alles schlecht sein, was er zwei Jahre lang gutgemacht hat.“ Der Trainer dürfe sogar weitere Spiele verlieren, ohne entlassen zu werden. Steffen selbst betonte, er sei ein Kämpfer. Der Niederrheiner ist ein guter Typ, eine ehrliche Haut, der nach dem 1:2 gegen Würzburg sogar eigene Fehler einräumte: „Vielleicht hat die Frische und Leichtigkeit gefehlt, weil wir am Donnerstag und Freitag zu intensiv trainiert haben.“
Mit den jungen Spielern braucht es Geduld
K aderzusammenstellung: Die im Sommer verpflichteten Neuzugänge sind allesamt junge Spieler aus Bundesliga-Reserveteams, zudem noch mit einer mehr oder weniger dicken Krankenakte. Sie sind alle nicht schlecht, aber offenbar noch nicht gut genug, um in dieser Saison mit den Kickers um den Aufstieg zu spielen. Geduld ist gefragt. Ausblick: „Wir müssen umswitchen und schauen, dass wir möglichst schnell ein Erfolgserlebnis landen und 45 Punkte holen“, sagte Steffen mit Blick auf den bedenklichen Sinkflug. Vor dem Spiel in Erfurt an diesem Samstag (14 Uhr) muss ein Impuls her. Möglicherweise werden Spieler aussortiert, der Kader verkleinert. Unabhängig davon könnten die Routiniers Marc Stein und Sandrino Braun in die Anfangself zurückkehren.