Schwere Zeiten: Kickers-Präsident Rainer Lorz (li.) und der künftige Trainer Tomislav Stipic Foto: Baumann

Der Rauswurf von Horst Steffen bringt für die Stuttgarter Kickers nicht die Wende. Im Gegenteil: Nach dem 1:4 gegen Mainz 05 II rutscht der Drittligist auf einen Abstiegsplatz. Tomislav Stipic soll die Blockade lösen Die wichtigste Frage: Gelingt es ihm, die Spieler emotional auf seine Seite zu ziehen?

Stuttgart - Der Mann ist Jurist, er kennt sich aus mit Höchststrafen. Rainer Lorz stand nach der siebten Niederlage in Serie regungslos auf der Haupttribüne des Gazistadions. Der Rest schlich kopfschüttelnd von dannen. Ein paar Minuten später presste der Kickers-Präsident ein paar Sätze durch die Lippen: „Die Mannschaft hat nicht geliefert“, sagte er. Und: „Unsere Maßnahme hat nicht gefruchtet. Das ist bedauerlich.“ Er meinte den umstrittenen Trainerrauswurf. Tomislav Stipic nimmt an diesem Montag seine Arbeit auf. Er muss eine dem Abgrund entgegenstürzende Mannschaft wieder auf Kurs bringen. Eine Herkulesaufgabe.

Ohne Mumm und ohne Leidenschaft

Das Spiel gegen Mainz: Aus der verunsicherten Mannschaft wurde nach dem Gegentreffer in der ersten Spielminute eine total verunsicherte Ansammlung von Individualisten. „Ohne Mumm, ohne Leidenschaft, ohne Zweikampfstärke, ohne die nötige Organisation“ (Sportdirektor Michael Zeyer) stemmten sich die Blauen gegen das Unheil. Wie so oft in den vergangenen Wochen reichte ein einfacher Pass in die Tiefe, um die Defensive auszuhebeln. Kein Vorteil war es für das ohnehin wacklige Team, dass Alfred Kaminski, der Chefcoach für ein Spiel, das seit eineinhalb Jahren eingespielte 4-3-3-System änderte. Dass er einzelne Spieler austauschte, war durchaus nachvollziehbar, doch gegen die „mitspielenden“ Mainzer hätten sich Flügelstürmer angeboten und nicht immer nur das Spiel mit langen, hohen Bällen durch die Mitte. Zudem erwies sich Sandrino Braun auf der Sechserpositon als Sicherheitsrisiko. Nach der Pause, als Kapitän Enzo Marchese in die Schaltzentrale vor der Abwehr zurückkehrte und Gerrit Müller auf der Zehn den Passgeber spielte, kam mehr Ordnung ins Spiel, die Räume waren besser besetzt. Für Kaminski war das alles nicht entscheidend: „Es wird zu sehr über das System gesprochen. Wichtig ist doch, in welcher Form sich die Spieler präsentieren.“

Stipics kommunikative Fähigkeiten sind gefragt

Die Psyche: Dass dabei die mentale Verfassung eine entscheidende Rolle spielt, ist eine Binsenweisheit. „Der Trainerwechsel am vergangenen Mittwoch war für uns alle ein Nackenschlag. Wir Spieler und das Trainerteam heulten Rotz und Wasser“, gab Marchese Einblicke ins Seelenheil des offenbar sehr sensiblen Ensembles in Blau. Doch der Kapitän fügte schnell hinzu: „Es heißt ja, das Fußballgeschäft ist nach dem Drogengeschäft das dreckigste, das es gibt, doch einen Profi darf das nicht umhauen.“ Dennoch wird es die erste und wichtigste Aufgabe für Tomislav Stipic sein, die Schockstarre zu lösen und die Mannschaft emotional auf seine Seite zu ziehen. Dem 36-Jährigen muss es schnell gelingen, dass die Spieler ihm folgen und nicht mehr länger dem alten Trainerteam hinterhertrauern. Präsident Lorz ist überzeugt davon, dass es Stipic gelingen wird: „Mit seinen kommunikativen Fähigkeiten ist er genau der richtige Mann dafür. Deshalb haben wir ihn auch geholt.“ Stipic, der die Kickers in Erfurt und gegen Mainz beobachtete und auch am Sonntag bei der zweiten Mannschaft vorbeischaute, dürfte gut beraten sein, nicht zu viel auf einmal zu verlangen, sondern auf dem Weg aus dem Keller kleine Zwischenziele vorzugeben.

Noch halten die Fans zu den Blauen

Die Fans: Vor der Partie hatten die Anhänger im B-Block ein Transparent entrollt mit der Aufschrift „Wer am Boden liegt, kann zeigen, dass er Willensstärke hat“. Und obwohl die Mannschaft wahrlich nicht die letzten Reserven mobilisierte, gab es auch nach der neuerlichen Pleite erstaunlicherweise viel positiven Zuspruch der Fans. „Die Unterstützung war phänomenal – und nur gemeinsam kommen wir da auch wieder raus“, betonte Rainer Lorz. Doch der Kickers-Chef ist lange genug im Geschäft, um zu wissen: Zeigt die Mannschaft nicht schnell wieder die Tugenden, die sie unter Steffen lange Zeit so stark gemacht hat, pfeifen ihm, seinen Präsidiumskollegen und vor allem Sportdirektor Michael Zeyer die Kugeln um die Ohren. Neu-Coach Stipic kommt die Schlüsselrolle zu, dies zu verhindern.