Das Stuttgarter Kammerorchester Foto: Jona Laffin

Mit Schönbergs „Verklärter Nacht“ und zeitgenössischen Werken hat das Stuttgarter Kammerorchester die „Ekstase“-Ausstellung im Kunstmuseum ergänzt.

Stuttgart - Alles dreht sich, kreist, dampft und stampft im Rhythmus. Ein Stehgeiger spielt auf, nein: Sechzehn Sitz-Streicher sind es, die mit dem Orchesterwerk „Orawa“ des Polen Wojciech Kilar ihren musikalischen Beitrag zur „Ekstase“-Schau im Kunstmuseum Stuttgart beginnen. Aber wie! Die musikalische Gebirgsbeschreibung des 1988 komponierten Stücks enthält Minimalistisches, kurze Dvorák-Momente, eine schöne Kantilene des Solocellos, vor allem aber einen (exzellent koordinierten und wirkungsvoll gesteigerten) motorischen Vorwärtsdrang, dem sich schon deshalb keiner im Saal entziehen kann, weil die Konzertmeisterin des Stuttgarter Kammerorchesters, Susanne von Gutzeit, am ersten Geigenpult von ihrer ersten, noch solistischen Phrase an ein hohes Energieniveau vorgibt.

Sie wird dieses Niveau, gestützt von viel Körperspannung und klarer Gestik, bis zum letzten Stück des Mittwochabends halten, bis zu Schönbergs „Verklärter Nacht“, die hier in der Streichorchesterfassung zu hören ist. Und selbst bei diesem spätestromantischen Werk, das wie kein anderes die Sollbruchstelle zur Moderne markiert, wird man sich inmitten dichtester Streicherlinien noch an jenes „Hey!“ erinnern, mit dem die Instrumentalisten bei Kilar den rasanten Schlusslauf krönten. Dabei geht es bei Schönberg im Dialog von zwei Orchestergruppen (mit dazwischen postierten Celli und Kontrabass) doch zuallererst um dunkle Farben, um Einbrüche des Lichts – und, nebenbei, um ein Musterbeispiel exzellenter Ensemble-Kommunikation.

Von dieser lebt auch die Uraufführung des Abends: Der palästinensisch-israelische Komponist Samir Odeh-Tamini (Jahrgang 1970) hat für den Solobratscher des Kammerorchesters, Manuel Hofer, ein Violakonzert geschrieben, in dem sich blockhaftes Gegeneinander von Solo- und Tutti-Passagen ganz allmählich aufeinander zu bewegen. Hochvirtuoses muss Hofer dabei auf seinem großen, satt resonierenden Instrument produzieren, aber es ist vielleicht die größte Stärke seines Auftritts, dass er dies, auch angeleitet von dem ungemein klar agierenden Dirigenten Peter Rundel, immer mit Blick auf seine Mitspieler tut. Effektvolle Klangmomente gibt es beim Zusammenspiel von Bratsche und Schlagzeug wie auch bei den langsamen Glissandi, die Odeh-Tamini seinem Stück einkomponiert hat. Nach einer Solokadenz dreht Manuel Hofer sein Instrument mit dem Rücken nach vorne und produziert sogar mit dem über Holz knarzenden Bogen eine schöne Klangfarbe. Das Publikum jubelt: Offenbar kann Ekstase auch in kontrollierter Weise zu psychischen Ausnahmezuständen führen.