2 aus 17 . . . der etwas andere Jahresrückblick. Am 14. Februar startet in Stuttgart das Projekt Schwimmfit. Foto: dpa

Das ist kein Schlag ins Wasser: Am 14. Februar stellte die Stadt die Initiative „Schwimmfit - sicher schwimmen in Stuttgart“ vor. Eine Offensive gegen den Missstand, dass jeder vierte Viertklässler nicht schwimmen kann. Jetzt gibt es 130 neue Schwimmkurse.

Stuttgart - Im Hallenbad Zuffenhausen schlagen die Wogen hoch: An die 80 Buben und Mädchen zwischen sechs und 16 Jahren tummeln sich im Becken, hüpfen auf Matten, kreischen vor Spaß und fühlen sich im nassen Element so wohl und sicher wie der Fisch im Wasser. Dazwischen wie der Fels in der Brandung: der Schwimmtrainer Tobias Heck, der alles im Blick hat, aber nicht beunruhigt sein muss. Denn diese Kinder können schwimmen. Sie sind der Nachwuchs der SG Stuttgart-Nord, der 2013 gegründeten Startgemeinschaft der Schwimmabteilungen der Sportvereinigung Feuerbach 1893 und des Turnvereins 1889 Zuffenhausen e. V.

„Wir haben rund 350 Mitglieder in der SG Nord, davon etwa 250 unter 18 Jahren“, kann Heck berichten. Im Gegensatz zur alarmierenden Zahl, dass 77 Prozent der Stuttgarter Viertklässler nicht schwimmen können, eine Erfolgsquote. In der Initiative Schwimmfit, die Ordnungsbürgermeister Martin Schairer mit Isabel Fezer (Schulen) und Dirk Thürau (Technik) im Februar gestartet hat, sind 37 Schwimmsport treibenden Vereine und ihre Schwimmtrainer eine Säule in der Allianz für eine erfolgreiche Verwirklichung des Konzeptes: dass alle Kinder am Ende der vierten Klasse sicher schwimmen können.

Gebraucht werden 600 Kurse pro Jahr mit 6000 Kursplätzen

Dafür macht Heck eine ganz einfache Rechnung auf: „In Stuttgart werden konstant jedes Jahr etwa 6000 Kinder geboren. Die Schwimmkurse dauern zehn Stunden. Das heißt, ich brauche 600 Kurse pro Jahr und 6000 Kursplätze.“ Die Praxis sehe anders aus, wie Heck am Beispiel des Stuttgarter Nordens zeigt: „Hier leben rund 1500 Kinder, für die wir in jedem Jahr 150 Kurse anbieten müssten. Es sind aber nur 25 Kurse.“ Weil die wichtigste Voraussetzung, genügend Wasserflächen, fehle.

Sport vor Ort heißt für Heck das Erfolgsrezept. Wie in Plieningen, wo im Zuge der Initiative zehn neue Schwimmkurse angeboten werden: „Auch für die Kinder aus den dortigen Flüchtlingsunterkünften“, freut sich Heck über den Beitrag zur Integration.

Für den Schwimmunterricht an Schulen sollen Fachleute hinzugezogen werden

Ein Erfolg dank ausgeklügelter Logistik. Und laut Bürgermeister Martin Schairer noch mehr ein Ergebnis wahrer Detektivarbeit, die dem Mangel ein Ende bereitet habe: „Wir haben bisher ungenutzte Bäder entdeckt und jetzt genügend Wasserflächen.“ Damit habe man kurzfristig 90 zusätzliche Schwimmkurse mit 720 Plätzen anbieten können, die in kürzester Zeit komplett ausgebucht gewesen seien. Und ab Januar starten erneut 40 neue Kurse, es gibt noch freie Plätze. Die Entdeckung des Bades im Pflegestift Stuttgart-Münster macht Kurse für geflüchtete Frauen möglich. Insgesamt, heißt es in der Mitteilungsvorlage zum Haushaltsplan 2018/2019, könnten pro Jahr 600 neue Kurse entstehen. „Weil unter anderem zwei Lehrschwimmbecken auch an Samstagen zur Verfügung gestellt werden“, lobt Schairer. Das ist genau die Anzahl der Kurse, die Heck als erforderlich nennt. Er hat seine Zweifel. Zum Beispiel, ob die Eltern das Wochenend-Angebot auch wahrnehmen: „Der Erfolg eines Schwimmkurses hängt maßgeblich davon ab, wie oft die Eltern zusätzlich mit ihren Kindern zum Schwimmen gehen.“ Man hört heraus, dass er da wenig Neigung beobachtet.

Offen angesprochen wurde beim Start von Schwimmfit auch die fehlende Begeisterung der Lehrer für den Schwimmunterricht in den Schulen. „Ich kann die Lehrer gut verstehen“, sagt Heck: „Das ist immer ein Risiko. Darum sollen unter dem Stichwort „Rent a Schwimmtrainer“ Lehrern jetzt Fachleute an die Seite gestellt werden.

Heck investiert ehrenamtlich viel Zeit – aus Liebe zum Sport und zu den Kindern

Trainer wie Heck, der schon mit sechs Jahren in die Sportvereinigung Feuerbach eingetreten ist. Das Wasser wurde sein Element „Ich habe alle Leistungsklassen durchlaufen, an deutschen Meisterschaften teilgenommen, mit 15 die Ausbildung zum Trainerassistenten gemacht und mit 22 die B-Trainer-Lizenz erworben.“ Seither investiert der Maschinenbauingenieur, der als Ausbilder im dualen System bei Mahle arbeitet, ehrenamtlich viel Zeit am und im Wasser: „Aus Liebe zum Sport, zu den Kindern und Jugendlichen und unterstützt von einem tollen Team.“

Im Hallenbad Zuffenhausen geht es sonst strenger zu, wenn die SG Nord hier trainiert – mit einem strammem Bahnen-Pensum. „Aber an diesem letzten Montag vor Weihnachten dürfen alle Spaß haben“, lacht Heck. Für ihn ist es schon wie eine Bescherung, dass die Schwimmfit-Initiative nicht baden geht, sondern Oberwasser hat.