Willkommensgruß vor dem Tor zur Hölle, in der ein ewiges Feuer lodert: Michael Henn und Sandro Lang (rechts). Foto: privat

Im Auto von England in die Mongolei. Auf so eine spleenige Idee können nur Briten kommen. Doch sie finden überall Gesinnungsgenossen. Die Stuttgarter Sandro Lang und Michael Henn sind bei der 7. Mongolei-Wohltätigkeitsrallye mitgefahren und haben dabei entdeckt, woher die Kehrwoche kommt.

Stuttgart - 15 Kilometer vor dem Ziel der knapp 19 000 Kilometer langen Tour von London nach Ulan Bator wäre die Fahrt fast zu Ende gewesen. „Kurz vor der mongolischen Hauptstadt hatten wir unsere Regel gebrochen, niemals in der Nacht zu fahren“, erzählt Sandro Lang. Das Auto, das unmittelbar vor ihm fuhr, wurde von einem scheuenden Pferd gerammt und schwer beschädigt. „Wir hatten einfach nur Glück.“

Das Glück war den Stuttgartern, beide Mitte 30, während der fünfwöchigen Fahrt hold. Kein Schlagloch konnte ihrer Ölwanne etwas anhaben, kein Wasserloch in Kasachstan konnte sie stoppen. „Unsere zwei Ersatzreifen sind unbenutzt“, sagt Lang. „Unsere Werkzeuge und die Reiseapotheke sind fast unberührt“, ergänzt Michael Henn. Er hat mit seinem wild wuchernden Rauschebart kaum mehr Ähnlichkeit mit dem Geschäftsmann, der sich beruflich in London als Banker mit der Finanzierung von Windparks und Solaranlagen beschäftigt.

„Das Auto hat uns keinen Kummer gemacht“, sagt Henn. Das lag auch daran, dass als Rallyefahrzeug ein Dacia Logan, Baujahr 2008, mit möglichst wenig Elektronik gewählt wurde. Der einzige Schaden am Fahrzeug war in Usbekistan eine verbogene Felge. „Die hat der Dorfschmied mit drei Hammerschlägen repariert“, sagt Henn.

Von der Touristenpolizei zu einem Gespräch ins benachbarte Café gebeten

Das erste Teilstück bis in die Türkei genossen die beiden Fahrer wie eine gemütliche Kaffeefahrt. Es blieb Zeit für touristische Stopps in Kappadokien mit seinen Felswohnungen und Höhlenkirchen.

„Das schönste Land auf unserer Tour war aber der Iran“, berichtet Henn von gastfreundlichen und gebildeten Menschen, die den Fremden neugierig und aufgeschlossen begegnet seien. Die Taktik der Reisenden bei der Suche nach einer Unterkunft war in den größeren Städten immer gleich. Auf dem ersten größeren Platz hielten sie an und fragten nach einem Hotel. „Uns wurde immer weitergeholfen“, sagt Lang. Im chaotischen Verkehr von Teheran bot sich ein einheimischer Autofahrer sogar als kostenloser Lotse an.

Mulmig wurde es den beiden Reisenden nur, als sie in Isfahan von der Touristenpolizei freundlich, aber bestimmt zu einem Gespräch ins benachbarte Café gebeten wurden. Abendliche Treffen mit Einheimischen seien unerwünscht, wurde ihnen klargemacht. Auch der Gebrauch von Fotoapparat und Filmkamera sei zu unterlassen. Dabei wollte Lang, 2009 Absolvent der Filmakademie Ludwigsburg, Teile der Reise filmisch dokumentieren.

Bedrohlich empfanden die Stuttgarter die Situation, als sich in das Gespräch mit der Polizei ein perfekt Deutsch sprechender iranischer Zivilist einmischte, der zuvor einen unbeteiligten Cafégast gemimt hatte. „Als der sagte, wir würden sicher nicht wollen, dass sich Außenminister Westerwelle wegen uns einschalten müsse, wussten wir Bescheid“, sagt Henn. „Wahrscheinlich hatten die Behörden Angst, dass wir Reporter sind, die sich als Touristen ausgeben.“

„Alle hundert Meter hat eine Frau die Straße gekehrt“

Ein Wunder erlebten die Rallyefahrer, als sie hinter der Grenze von Turkmenistan die Millionenstadt Aschgabat erreichten. „Es war wie eine Fata Morgana in der Wüste“, sagt Henn. Protzige Gebäude aus Marmor, goldene Statuen, breite, fast menschenleere Straßen. „Alle hundert Meter hat eine Frau die Straße gekehrt“, sagt Henn, „man hätte dort vom Boden essen können.“ Und: „Seit Aschgabat weiß ich, dass die Kehrwoche aus Turkmenistan kommt.“

Noch häufiger als die Putzfrauen sind in den Hauptstraßen Aschgabats Polizisten postiert. „Einer hat uns rausgewinkt“, sagt Lang. Sein spezielles Interesse galt dem Laptop der Fremden. „Der Polizist hat sich jede Datei zeigen lassen und wollte unbedingt Pornos sehen.“ Erst nach vier endlosen Stunden war seine Lust erlahmt.

Kurz hinter Aschgabat führte die Reise durch eine endlose karge Landschaft, die gut versteckt als einzige Attraktion das „Tor zur Hölle“ bot. Tagsüber ist es ein schwarzer Krater, aus dem nachts die Glut eines Höllenfeuers leuchtet. Als dort vor über 30 Jahren nach Erdgas gebohrt wurde, explodierte der Bohrturm. Löschversuche blieben erfolglos. „Seitdem brennt es dort ununterbrochen“, sagt Henn.

In Usbekistan fiel den Reisenden die große Zahl von Tankstellen auf. „Sie sind modern – aber es gibt dort tagsüber kein Benzin“, sagt Lang. Woran das lag? „Jemand hat dort einen künstlichen Schwarzmarkt geschaffen“, vermutet Henn. Denn nachts floss an den verdunkelten Tankstellen der Treibstoff. Allerdings nur zu stark überhöhten Preisen.

„Die Hauptstadt der Mongolei entwickelt sich rasant“

Aus Kirgistan und Kasachstan blieben den Reisenden neben unebenen Schotterpisten vor allem glatte Geldscheine in Erinnerung. „Gaststätten, Hotels und Tankstellen verlangten immer makellose Dollars“, sagt Henn. Eingerissene oder geknickte Noten wurden nicht akzeptiert. „Wir waren kurz davor, die Scheine zu bügeln.“

In Sibirien ging es am Ufer des Baikalsees entlang und dann weiter in die Mongolei. Die Hauptstadt Ulan Bator, in der er bereits 2006 einmal war, erkannte Henn kaum wieder. Viele Neubauten, hektischer Straßenverkehr, westliche Kneipen, viel Rucksacktouristen. „Die Hauptstadt der Mongolei entwickelt sich rasant.“ Nur in den ärmeren Vororten schien die Zeit seither stillgestanden zu sein.

Dort übergaben Henn und Lang einer lokalen Hilfsorganisation ihr Auto. Es soll in den nächsten Tagen versteigert werden. Der Erlös wird dann an eine Kinderbibliothek in einem armen Vorort fließen, die auch Schulbücher ausleiht. „Wir sind selbst gespannt, wie viel das Auto bringt“, sagt Lang. Das Angebot jedenfalls klingt attraktiv: robustes, rallyeerprobtes Fahrzeug, kaum pannenanfällig, mit neuwertigen Ersatzreifen.