Varietékünstlerinnen unter sich: di Favola, Berber und Kruttke (v. li.) Foto: Lg/Leif Piechowski

Es ist das wohl bekannteste Bildnis der Stadt: das Anita-Berber-Gemälde von Otto Dix. Im Kunstmuseum hat Anita Berber nun Besuch bekommen. Von sich selbst.

Stuttgart - Sie ist überall zu sehen. Eine der Hauptdarstellerinnen der Stadt. Eine für Stuttgart auf den ersten Blick eher untypische, aber auf den zweiten Blick vielleicht doch ganz passende. Doch dazu später mehr.

Mit dem Bildnis von Anita Berber wirbt das Kunstmuseum für die Sammlung der LBBW. Dass mit der Landesbank ausgerechnet das Großkapital Bilder von Kommunisten und Bürgerpeinigern wie Max Ackermann und Otto Dix kaufte, mag man für ironisch halten, immerhin ist das Dix-Bild von Berber so in den Besitz der Stadt gelangt. Anita Berber war Schauspielerin und Tänzerin in den Goldenen Zwanzigern. Heute würde man sie Aktivistin, Frauenrechtlerin, Stilikone, Model und Influencerin nennen.

Sie hat die Hosen an

Sie hängt nicht nur im Kunstmuseum. Auf der Bühne des Friedrichsbaus steht sie auch, verkörpert von Fanny di Favola. Sie zeigt eine Burlesque verkehrt. Zunächst trägt sie recht wenig, weist ein Korsett brüsk zurück, will sich nicht einengen lassen, am Ende hat sie einen Hut auf – und die Hosen an. „Sie steht ihren Mann“, sagt di Favola. Extra für die Show „Noir“ im Friedrichsbau hat sie die Nummer entwickelt. Allerdings gab es keine Vorlage. Zwar sei Berber ein Star ihrer Zeit gewesen, vergleichbar mit Marlene Dietrich, „doch es gibt nur noch die Filme zu sehen, in denen sie mitgespielt hat, von ihren Tänzen gibt es keine Aufnahmen“, sagt Kuratorin Anne Vieth.

Ein früher Tod

„Tänze des Lasters, des Grauens und der Ekstase“, so hieß eines ihrer Programme, ein Tanz trug den Namen „Morphium“. Der Name war Programm. Berber war ein Mensch, der heiß brennt und schnell verglüht. Sie nahm so ziemlich alles, was berauscht. 1928 konnte ihr ausgezehrter Körper nicht mehr, sie starb an Tuberkulose im Alter von 29 Jahren. Auf dem Höhepunkt ihres Ruhms stand sie für Otto Dix Modell. Er malte die „bildschöne Frau“, so Vieth, in seinem typischen Stil. Er kehrte das Groteske, das Hässliche hervor. Fast 100 Jahre später ist dieses Bild eines der Aushängeschilder des Kunstmuseums und wahrscheinlich das bekannteste Kunstwerk, das Stuttgart zu bieten hat.

Anita Berber mal zwei

Varieté-Geschäftsführer Timo Steinhauer hat versucht herauszufinden, ob Anita Berber im alten Friedrichsbau auftrat. Es liege nahe, sagt er, schließlich war das Stuttgart der 20er Jahre ein sehr liberaler Ort. Josephine Baker stand hier auf der Bühne, anderswo waren ihre Auftritte verboten. Leider sind bei einem Bombenangriff die Besetzungslisten verbrannt, so gibt es keinen Beleg. Doch nun ist Anita Berber wieder da. Im Museum. Und auf der Bühne. Moderatorin Kristina Kruttke fragt in „Noir“ das Publikum, wer Anita Berber kenne. Da gingen meist nur zwei Hände nach oben, erzählt sie. Die Frau in Rot, die kennen aber doch die meisten. Auch wenn sie nicht wissen, wie sie heißt. „Liebt, wen ihr wollt, wie ihr wollt“, ruft Kruttke dem Publikum zu. „Männer, Frauen – und alles dazwischen.“ Das hätte Anita Berber gefallen.

„Noir“ im Friedrichsbau

Karten
Die Show „Noir“ läuft noch bis zum 27. Februar. Karten gibt es über Telefon 0711/225 70 70. Weitere Informationen über www.friedrichsbau.de.