Auf Hilfe angewiesen: Ein Patient im Pflegeheim. Foto: dpa

In Kliniken und Heimen fehlt Pflegepersonal. Inzwischen wird der Nachwuchs immer mehr auch akademisch ausgebildet.

Anke Simon leitet den Studiengang BWL-Gesundheitsmanagement und Angewandte Gesundheitswissenschaften für Pflege und Geburtshilfe an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Stuttgart. Sie setzt auf mehr akademisch ausgebildete Fachkräfte in Kliniken und Pflegeheimen.
Stuttgart - Frau Simon, die Stimmung in der Pflegebranche ist nicht gut, trotzdem erfreuen sich Studiengänge wie der ihre von einer wachsenden Beliebtheit. Wie kommt das?
Die Akademisierung der Pflegeberufe hat in vielen Ländern schon vor Jahrzehnten begonnen. Auch bei uns wollen viele junge Menschen, die sich für das Gesundheitswesen und speziell für die Pflege im Krankenhaus oder Altenheim interessieren, inzwischen von der Pike auf lernen und zugleich patientennah studieren. Sie erhoffen sich größere Karrieremöglichkeiten. Da hat die duale Hochschule einen Vorteil, weil wir sehr nah an der Praxis sind.
Gerade die Altenpflege ist nicht sehr beliebt, das ist ein Grund für den Personalmangel in Heimen. Woran liegt’s?
Einerseits landen Medizin- und Pflegeberufe in Umfragen zum Berufsprestige immer ganz vorn. Andererseits denken viele, Pflege könne jeder. Aber das ist natürlich falsch, die Anforderungen an werden immer größer, gerade in der Intensivmedizin. Wenn sie Schüler fragen, stehen Pflegeberufe und insbesondere die Altenpflege ganz weit hinten, auch wegen der hohen Belastung und des vergleichsweise geringen Verdienstes. Pflegekräfte, die schon im Beruf stehen, beklagen oft, dass sie sich nicht weiter entwickeln können. Das ist ein Grund für die hohe Fluktuation in der Branche. Die wissenschaftliche Ausbildung ist da ein wichtiger Ansatz, weil sie den Absolventen mehr Möglichkeiten bietet.
Gibt es genug entsprechend qualifizierte Stellen? Und entsprechend gut bezahlte?
Wir hätten den Studiengang mit derzeit rund 70 Studierenden im Erstsemester nicht gegründet, wenn es keinen Bedarf gegeben hätte. Krankenhäuser sind auf uns zugekommen und haben gesagt, dass sie Pflegekräfte auf den Stationen brauchen, die höher qualifiziert sind für immer komplexere Aufgaben und deshalb auch länger in ihrem Job bleiben. Unsere Absolventen können überall in der Pflege arbeiten, allerdings müssen die Kliniken, aber auch die Pflegeheime sich noch besser auf sie einstellen.
Was bedeutet das?
Höher qualifizierte Pflegekräfte müssen auch adäquat eingesetzt werden. Manche Häuser sind da schon sehr weit, andere fangen jetzt erst an, die Aufgabenbereiche umzuorganisieren. Traditionell sind Pflegekräfte so ausgebildet, dass sie alles machen können und sollen, aber das ist einfach nicht mehr zeitgemäß. Es macht betriebswirtschaftlich keinen sind, simpelste Tätigkeiten und höchstqualifizierte heilkundliche Tätigkeiten von ein und derselben Person erledigen zu lassen.
Wie sieht es mit der Bezahlung aus?
Das ist ein Thema. Wir bilden in jeder Hinsicht hoch qualifizierte Absolventen aus. Die brauchen entsprechende Jobs, die natürlich auch angemessen vergütet sein sollten. Aber das hängt natürlich von den tariflichen Rahmenbedingungen ab und vom jeweiligen Arbeitgeber, von den Trägern und Häusern. Ich setzte darauf, dass sie erkennen, dass sie gute Fachkräfte nur bekommen und halten können, wenn sie sie auch gut bezahlen. Die müssen sich etwas einfallen lassen.
Wie bewerten sie den Reformstau in der Pflegeversicherung? Was muss die neue Bundesregierung jetzt anpacken?
Das ist nicht mein vordringliches Fachthema. Aber meines Erachtens haben die Probleme damit zu tun, dass zu wenig Geld für die Pflege da ist. Wenn die Gesellschaft nur so wenig ausgibt für die Betreuung hochbetagter Menschen, dann ist es für die Leistungsanbieter schwierig, sehr gute Leistungen anzubieten. Dabei gibt es in der Altenpflege wahnsinnig viele gute Modelle und wahnsinnig engagierte Menschen. Politiker kümmern sich oft nur, wenn es irgendwo einen Skandal gibt. Ich glaube, dass genug Geld da ist. Es sollte anders verteilt werden.