Um Wein, Fußball und den veganen Lebensstil geht es im Restaurant Joyce der Stuttgarter Spielbank am Donnerstagabend mit Gastronom Heiko Grelle, Ex-Torwart Timo Hildebrand und Winzer Moritz Haidle (von links). Foto: Lichtgut/Julian Rettig

70 Prozent der Gäste in seinem veganen Restaurant vhy! sind Frauen. Ex-Torwart Timo Hildebrand will Männern vorleben, wie cool und sexy gesunde Ernährung sein kann. Auch Spitzensportler profitierten, wenn sie auf Fleisch verzichten, sagt er im SI-Centrum.

Süßkartoffelsteak mit Grünkohl und Thaicurry – der Hauptgang ist üppig und aromatisch beglückend. Die vegane Küche, so zeigt sich an diesem Abend, muss sich, was Qualität und Geschmack betrifft, vom fleischhaltigen Menü nicht verstecken, das Chefkoch Joachim Altvater im Restaurant Joyce in der Stuttgarter Spielbank parallel zubereitet. Der vielseitig engagierte Gastronom Heiko Grelle, der unter anderem die Schräglage, das VfB-Restaurant, die Spielbank-Bar New Grace betreibt und am veganen Restaurant vhy! beteiligt ist, präsentiert am Donnerstagabend im SI-Centrum zwei prominente Gäste, die Leidenschaft vereint und die den bewussten Umgang mit Lebensmitteln propagieren.

Timo Hildebrand ist „nicht zu hundert Prozent vegan“

Winzer Moritz Haidle führt ein Demeter-Weingut, das er biodynamisch betreibt ohne Pestizide. Sein Kumpel, der frühere Fußballstar Timo Hildebrand, hat sich als Vorkämpfer für die vegane Ernährung einen Namen gemacht. Beide reden im Joyce über die Vorteile, die eine Umstellung des Lebens mit sich bringt. Beide werben mit Witz dafür. Timo Hildebrand unterstreicht, man dürfe „nicht dogmatisch“ dabei vorgehen. Auch er sei „nicht zu hundert Prozent“ vegan. Fleisch isst er nie, im Urlaub aber vielleicht mal Käse auf der Pizza. Dass sich die fleischlose Ernährung in der Bevölkerung voll und ganz durchsetzt, glaubt der frühere VfB-Star nicht. Doch immer mehr Menschen würden über ihre Ernährung nachdenken, beobachtet er, und Fleisch aus gutem Grund immer weiter aus ihrem Speiseplan streichen.

Spitzensportler entdecken die vegane Ernährung

Das vegane Leben lohne sich auch im Spitzensport, betont Hildebrand. Sportler suchten immer nach Optionen, wie ihr Körper noch besser funktionieren könnte, gerade nach Verletzungen oder bei Problemen mit Entzündungen. Da könne die richtige Ernährung ein Hebel sein, mit dem man die Leistung steigern könne. Wer vegan isst, fühle sich „leichter“, erklärt er und sei leistungsstärker. Dies müsste auch Männer überzeugen.

Dass er mit seinem Restaurant vhy! seit zwei Jahren im Stuttgarter Westen den richtigen Riecher beweist, freut den 43-Jährigen. Die Nachfrage ist weiterhin sehr groß. 70 Prozent der Gäste seien weiblich, sagt sein Projektleiter Björn Boltz, der vom Bellevue auf dem Killesberg ins vhy! gewechselt ist (bald gibt es dort noch einen weiteren Neuzugang). Bei vielen Männern sei dagegen die Skepsis noch immer groß. „Die denken, sie brauchen Fleisch, um stark zu sein.“ Doch allein aus ethischen Gründen sollte man auf die vegane Ernährung umstellen, was darüber hinaus für das Klima sehr gut sei. Die zahlreichen Skandale in Schlachthöfen hätten mit dazu beigetragen, dass der Appetit auf Fleisch vergehe.

„Für kaum ein anderes Restaurant findet man so leicht Personal“

Ins vhy! kommen vor allem junge Gäste. „Doch viele bringen ihre Eltern oder Großeltern mit“, berichtet Boltz, „es ist schön, wenn dann alle zufrieden nach Hause gehen.“ In kaum einem anderen Restaurant falle es so leicht, Personal zu finden, das im vhy! zu knapp 90 Prozent weiblich ist. „Viele junge Frauen wollen bei uns arbeiten, weil sie unser Konzept gut finden“, freut sich der Restaurantleiter.

Haidles kurze „Karriere“ als Mittelfeldspieler

Moritz Haidle präsentiert zu jedem Gang einen Wein. Sein Spitzname Ritz stammt aus der Schulzeit. Ritz ist auch sein Künstlername als Graffiti-Sprayer. Der Riesling, den er heute macht,heißt Ritzling. Haidle, der in dritter Generation das Weingut Karl Haidle in Stetten im Remstal führt und eine Rebfläche von 23 Hektar biologisch bewirtschaftet, lebt seine Leidenschaft und Kreativität vielseitig aus. Mit 13 oder 14 zog er los mit der Spraydose und hat damit bis heute Spuren hinterlassen. Erst Jahre später fing er mit dem Wein an. Dass über ihn oft geschrieben wird, er sei ein „Graffiti- und Rapper-Winzer“, behagt ihm nicht so. „Eigentlich sollten meine Weine im Vordergrund stehen“, findet „Ritz“. Kennen gelernt hat er Timo Hildebrand über das Fotoprojekt „Stuttgarter Charakterköpfe“ – seit der Buchpräsentation sind die beiden Kumpels.

An diesem Abend erfahren die Gäste obendrein die Geschichte seiner kurzen Fußballerlaufbahn. Überraschend hatte der Trainer ihn zu Schulzeiten als Mittelfeldspieler eingeteilt. Viel bewegt hat er sich allerdings nicht. Denn Haidle dachte, dass er den Mittelkreis nicht verlassen darf. Rasch wurde er ausgewechselt – wen wundert’s?