In Stuttgart fehlen mehr als 3000 Kitaplätze – und weit mehr als 1000 Fachkräfte. Doch ein Ende dieser Misere sieht auch die Jugendamtschefin Susanne Heynen nicht. Im Gegenteil.
Stuttgart - Es hört einfach nicht auf. Seit Jahren stehen mehr als 3000 Familien ohne Krippenplatz da. Seit Jahren sucht die Stadt Erzieherinnen, 90 hat sie bereits im Ausland angeworben. Doch das reicht nicht. „Der Bedarf wird weiter steigen“, kündigte die Stuttgarter Jugendamtschefin Susanne Heynen bei einer Veranstaltung des Gesamtelternbeirats der evangelischen Kitas im Marienheim an. Dieser hatte Eltern, Fachleute und Kommunalpolitik zum Krisengespräch eingeladen. Die Überschrift „Kita-Alarm“ könnte nicht besser passen. „Wir reden in Stuttgart von einem Fachkräftebedarf von weit über 1000“, räumte die Jugendamtsleiterin ein.
„Ich muss einen Rechtsanspruch erfüllen, aber das ist nicht möglich“, fasste sie die Situation zusammen. Sie räumte ein: „Mir geht das richtig an die Nerven.“ Den Eltern und den Erzieherinnen auch. Heynen machte ihnen wenig Hoffnung: „Ich glaube nicht, dass wir das als Stadt allein hinkriegen – wir brauchen das Land und den Bund, der muss begreifen, dass das eine Schlüsselaufgabe ist.“ Den Anwesenden im Saal rief sie zu: „Ich wäre absolut dankbar, wenn Ihnen was einfällt oder irgendwo die Power herkommt.“
Manchen Eltern ist beim Kitapersonal Herzblut wichtiger als Qualifikation
An Power fehlte es an diesem Abend nicht. Der Austausch in gemischten Teams brachte neue Erkenntnisse und Vorschläge zutage. Daniel Bierbrauer, GEB-Mitglied und Vater von drei Kindern, erklärte: „Mir ist es völlig wurscht, welche Qualifikation eine Kitamitarbeiterin hat, solange sie vertrauenswürdig ist, Herzblut hat und passt.“ Steffi Bröckl, Leiterin des Gedächtnis-Kindergartens, seit 33 Jahren im Beruf, macht ihn immer noch gern, erzählt, sie habe „eine geniale FSJlerin“, also eine Teilnehmerin am Freiwilligen Sozialen Jahr, die aufgrund ihrer positiven Erfahrungen am liebsten die praxisorientierte Erzieherausbildung (PiA) machen würde – aber das geht nicht, weil sie kein Berufskolleg absolviert hat. Doch das müssen Realschulabsolventen nachweisen. Bierbrauer hält das BK für überflüssig, und Bröckl fragt sich, weshalb Kitas eigentlich nicht selber ihre Leute akquirieren können.
Auch die anderen Teams haben heftig nachgedacht. Insgesamt kamen sechs Vorschläge heraus. Erstens: alle angehenden Erzieherinnen von Anfang an bezahlen. Zweitens: PiAs nicht wie bisher auf den Stellenschlüssel anrechnen, dann könnten künftig auch kleine Kitas PiAs ausbilden. Drittens: dem Erzieherberuf mehr Respekt und berufliche Perspektiven verschaffen. Viertens: die Notwendigkeit des Berufskollegs hinterfragen, zumal das für andere Berufe nicht gilt. Fünftens: als Pilotprojekt ausgewählten Kitas eine direkte, freie Akquise ermöglichen. Sechstens: eine Großstadtzulage von 300 Euro oder andere Vergünstigungen für alle Kitafachkräfte.
Auch drei Stadträte – Klaus Nopper (CDU), Judith Vowinkel (SPD), Rose von Stein (Freie Wähler) – haben mitdiskutiert und sich die Argumente angehört. Klaus-Dieter Pieper, Leiter Personalmarketing und -gewinnung beim Jugendamt, notierte die Vorschläge – für die nächste Vorlage.