OB Fritz Kuhn verleiht Helga Bäker die Ehrenplakette der Stadt. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Für 46 Jahre Engagement im Waldheim Degerloch ist Helga Bäker mit der Ehrenplakette der Landeshauptstadt ausgezeichnet worden. Denkt die 82-Jährige jetzt ans Aufhören?

Stuttgart - Über die Hälfte ihres Lebens hat Helga Bäker im Evangelischen Waldheim Degerloch gekocht. Seit 46 Jahren stand die gebürtige Cottbusserin für je zweieinhalb Wochen im Sommer in der Küche und hat hunderte von hungrigen Kindern mit vier Mahlzeiten am Tag versorgt. „Sie ist eine Institution geworden im Waldheim Degerloch“, sagte Oberbürgermeister Fritz Kuhn vor Kurzem beim Bürgerempfang im Rathaus.

Für rund 700 Tage ehrenamtliches Engagement und stellvertretend für alle Waldheim-Unterstützer hat Bäker die Ehrenplakette der Landeshauptstadt Stuttgart erhalten. Die Auszeichnung des „beispielhaften und ehrenamtlichen“ Engagements hatte die Vollversammlung des Gemeinderats am 17. Mai einstimmig beschlossen. „Ohne dieses Ehrenamt würde die Stadt Stuttgart nicht funktionieren“, sagte Fritz Kuhn. Im Jahr 2017 haben 8600 Kinder ihre Ferien in einem der zahlreichen Stuttgarter Waldheime verbracht.

In der Stadt sei derweil zu beobachten, so Kuhn, dass ehrenamtliche Tätigkeiten situativer würden, also projektbezogener. In so ein Projekt, nämlich das Waldheim Degerloch, brachte Helga Bäker 1972 erstmals ihre Kinder. Das Jahr mit dem großen Hagelunwetter, erinnert sie sich. Als sie hörte, dass noch Küchenfrauen gebraucht werden, entschied sie sich, zu helfen. „Dann bin ich halt dabei geblieben“, sagte die 82-Jährige. Das Plus für die zwei Töchter sei immer gewesen, dass sie zuallererst wussten, was es zum Mittag gibt, fügte Bäker lachend an.

Ein Drittel der Urlaubstage gingen ans Waldheim

1945 hatte die Familie Cottbus Richtung Mitteldeutschland verlassen, zu unsicher war die Nähe zu Berlin, insbesondere für Frauen und Kinder. 1957 kamen die Bäkers schließlich nach Stuttgart. Während ihrer Zeit im Waldheim war Helga Bäker nicht als Hausfrau, sondern immer im Beruf tätig. Nach einer kaufmännischen Ausbildung arbeitete sie bis zu ihrer Pensionierung mit 60 Jahren bei einer Wohnungsbaugenossenschaft. Von ihren 30 Urlaubstagen gingen jedes Jahr mindestens ein Drittel an das Waldheim.

Ins Waldheim zu gehen habe ihr „nie nicht gefallen“, sagte Helga Bäker. Das Waldheim sei Ort der Freude, der Beziehungen, des geteilten Lebens, bestätigen ihre Kollegen. Die Stimmung sei immer gut gewesen, besonders aber, wenn es das Lieblingsessen der Kinder gab. Von Zuhause erfuhr sie immer Unterstützung, auch ihr Mann unterstützte später als erster Mann das Küchenteam im Waldheim Degerloch. Die Mitarbeit im Waldheim habe sich in der Familie „wie ein Virus ausgebreitet“, formulierte Fritz Kuhn das Engagement der Bäkers. Die Enkeltochter der 82-Jährigen hat ihren Partner gar im Waldheim kennengelernt.

Die Portionsgrößen in der Waldheim-Küche sind riesig

An die Portionsgrößen in der Waldheim-Küche musste sich Bäker zunächst gewöhnen. 35 Kilogramm Spaghetti und 45 Kilogramm Hackfleisch kommen in die Töpfe, daraus wird eine Spaghetti Bolognese gezaubert. 35 Kilogramm Spätzle und 30 Kilogramm Linsen werden am Spätzletag zubereitet. Dazu seien noch 300 bis 400 paar Saiten nötig, um die 500 hungrigen Mäuler zu stopfen. Körperliche Schwerstarbeit also, früher seien es noch weniger Teilnehmer gewesen. Neben dem Mittagessen kriegen die Kinder im Waldheim Frühstück, Vesper und Abendessen.

Sie selbst isst am liebsten Kartoffelsalat. Ein Zentner braucht es da, nicht für sie, aber um gegen die nimmersatten Kinder anzukommen. Nach zweieinhalb Wochen im Waldheim habe sie sich immer erst mal wieder an die kleinen Mengen Zuhause gewöhnen müssen. Die Arbeit im Waldheim niederzulegen, daran habe sie bisher nicht gedacht. „Jetzt denke ich schon ans Aufhören“, sagte die 82-Jährige. Für das Waldheim Degerloch wünsche sie sich eine dauerhaft gute Leitung. Jürgen Möck mache das sehr gut, dass er so musikalisch sei, gefalle ihr: „Jetzt wird mit den Kindern wieder mehr gesungen.“

Die Art von Verlässlichkeit, das 46-jährige ehrenamtliche Engagement sei etwas, was er persönlich auch bewundere, sagte Kuhn in seiner Ansprache. „Das ist eine Lebensleistung für die Kinder in Stuttgart.“