Der Redakteur Jan-Georg Plavec arbeitet viel mit Daten. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

In Stuttgart sprechen Fachleute bei der Konferenz Journalism of Things über den richtigen Umgang mit Datenmaterial – und darüber, wie man sie erhebt. Journalisten kommt dabei eine besondere Rolle zu.

Stuttgart - Daten gehören zu den begehrtesten Rohstoffen der Welt. Sie bilden die Grundlage des wissenschaftlichen Fortschritts, ihre Sammlung, Verarbeitung und gezielte Nutzung hat den Aufstieg der großen globalen Technologie-Firmen begründet. Auch für Journalisten sind Daten wichtig. Relevant sind aber nicht nur die Daten an sich, sondern auch die Frage, womit man sie erhebt. Damit hat sich die von Redakteur Jan Georg Plavecorganisierte und von Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten als Medienpartner begleitete Konferenz Journalism of Things (Journalismus der Dinge) am Donnerstag zum zweiten Mal beschäftigt.

CO2-Ampel ist jüngste Errungenschaft

Ein prominentes Beispiel für ein Daten sammelndes „Ding“ ist die CO2-Ampel, als deren Erfinder Guido Burger gilt. Das Gerät wird in Schulen eingesetzt, misst den Gehalt von Kohlendioxid in der Luft und meldet, wenn ein Schwellenwert überschritten wird und gelüftet werden muss. Denn Studien hatten einen Zusammenhang zwischen dem CO2-Gehalt und der Anzahl der Aerosole im Raum nahegelegt, die bekanntlich das Virus übertragen. Burger geht die Dinge pragmatisch an, er versteht sich als sogenannter Maker, also als jemand, der neue Dinge selbst macht oder aus alten umbaut. „Man muss kein Tekkie oder Ingenieur sein, sondern kann Dinge einfach ausprobieren“, sagte Burger im Rahmen eines virtuellen Podiums.

Burger diagnostiziert bei seinen Landsleuten eine mangelnde Wertschätzung für Daten und für Mathematik überhaupt – in seinen Augen ein großes Versäumnis. „Wir brauchen ein Grundverständnis von Daten und Datenkultur“, sagte Burger. Deswegen doziert er in den Schulen auch nicht, sondern baut die CO2-Ampeln zusammen mit den Schülern. So will er die Neugier auf naturwissenschaftliche Zusammenhänge wecken.

„Datenspenden“ gilt als wichtig

Dirk Brockmann, ein Wissenschaftler am Robert-Koch-Institut und Professor an der Humboldt-Universität in Berlin, ist auf freiwillige „Datenspenden“ angewiesen. Anhand der von Smartwatches übermittelten Vitaldaten Hunderttausender modelliert der Forscher seit einem Jahr das Infektionsgeschehen. Das Experiment hat dem Forscher Mut gemacht. „Obwohl in Deutschland das Thema Datenschutz so großgeschrieben wird, haben 500 000 Menschen ihre Daten freiwillig zur Verfügung gestellt“, sagte Brockmann.

Der Journalismus der Dinge erstreckt sich aber natürlich auf weitaus mehr Themen als das allgegenwärtige Coronavirus. Die aus Podiumsgesprächen und Workshops bestehende Konferenz befasste sich auch mit den Themen Augmented Reality („erweiterte Realität“), dem Bau von Radarfallen, mit der Frage, wie man Mikroplastik im Trinkwasser nachweisen kann und wie viel Überwachung im „Smart Home“ steckt, also im trauten Heim der Zukunft, in dem alle Haushaltsgeräte digital miteinander vernetzt sind.

Aufgabe des Journalismus

Welche Rolle spielt nun der Journalismus im Datendschungel, und wie sollen Journalisten mit Daten umgehen? „Journalisten müssen die Dinge so aufschreiben, dass ein richtiges Bild entsteht und keine Karikatur“, so der RKI-Forscher Brockmann. Guido Burger wiederum meint, Journalisten müssten aus Daten gewonnene Erkenntnisse differenziert erklären und transparent darlegen, wie sie sie interpretieren: „Man kann über Daten schlecht pauschale Aussagen treffen.“