Radoslaw Pallarz macht seit drei Jahren CDs. Foto: Navis Musik

Das kleine Stuttgarter Label Navis ist für den Preis der Deutschen Schallplattenkritik nominiert. Ein Gespräch mit dem Komponisten Radoslaw Pallarz.

Stuttgart - Im Hauptberuf kümmert sich Radoslav Pallarz um kranke Kinder im Stuttgarter Olgäle, wo er auch die Kinderkonzerte betreut. Sein Preisgeld als „Stuttgarter des Jahres“ hat er in ein eigenes CD-Label gesteckt. Jetzt wurde Pallarz’ Tutanchamun in der Sparte „Kinder- und Jugendaufnahmen“ für den Preis der Deutschen Schallplattenkritik nominiert.

Als Ein-Mann-Label für den renommiertesten deutschen Tonträgerpreis nominiert zu werden – neben Größen wie Christine Nöstlinger, Otfried Preußler und Rafik Schami. Hätten Sie damit gerechnet, Herr Pallarz?

Das Label gibt es erst seit drei Jahren, es steht für Abenteuer, Geschichten und Unabhängigkeit. Die Nominierung ist natürlich eine Bestätigung für den Kurs, den wir gewählt haben. Im Grunde geht es uns darum, die künstlerisch und sozial engagierten Musiker mit ins Boot zu nehmen und mit ihnen kreative und mutige Projekte zu veröffentlichen. Daher ist es vielleicht nicht verwunderlich, dass die Juroren unsere Produktion nominiert haben. Damit gerechnet hatte jedoch sicher niemand von uns, bei der schier unüberschaubaren Vielzahl an Produktionen, die jährlich auf den Markt kommen. Ehrlich gesagt, habe ich von der Nominierung zufällig erfahren, als ich auf der Suche nach neuen Musiktipps war und bin im ersten Moment zusammengezuckt als ich da meinen Namen gelesen hatte.

Tutanchamun ist eine „Oper nicht nur für Kinder“. Erklären Sie uns kurz, worum es geht?

Diese „Kurzoper“ hat eigentlich zwei Ebenen. Für die jüngeren Hörer geht es um die wahre Geschichte des jungen Pharao Tutanchamun, der mit acht Jahren zum Herrscher des reichsten und mächtigsten Landes der damals bekannten Welt gekrönt wurde. Für die Kinder ein Traum, für die Erwachsenen ein Alptraum! Deshalb deuten die Texte der Komposition und die Erzählung in den sogenannten „Rezitativen“ auf die gesellschaftlichen, politischen und religiösen Zusammenhänge im alten Ägypten hin. Im Grunde geht es aber auch um das Drama des Lebens und die Erinnerung an einen jungen Menschen, der uns in seinem Grab neben der weltberühmten goldenen Maske auch viele kleine und persönliche Gegenstände seines Alltags hinterlassen hat. Vertont wurden deutsche Übersetzungen ägyptischer Texte, die sich auf Tutanchamun selbst oder auf seine Epoche beziehen. Daduch ist die Komposition auch für Geschichtsinteressierte spannend, denn bis heute sind trotz der sensationellen Funde im Pharaonengrab des TUT noch viele Fragen offen. Das ist die dritte Ebene, die in der Musik immer wieder angedeutet wird.

Sie verarbeiten bevorzugt antike Stoffe. Wie kommen Sie bei Kindern damit an?

Die Hochkulturen der Antike sind weit genug entfernt, um eine gewisse Distanz zur Geschichte der Musik zu bekommen. Auf der anderen Seite gibt es sehr viele Berührungspunkte, die sich in der Architerktur, Sprache und Kunst wieder finden lassen. Man kann natürlich auch Fantasiewelten erschaffen, philosophische Thesen kommentieren oder den realen Alltag vertonen. Die Kinder wollen begeistert werden und neues erfahren, gerne auch aus längst vergangnen Zeiten. Sie erkennen sofort Zusammenhänge und belohnen den Musiker mit Aufmerksamkeit. Das ist auch die Rückmeldung der Eltern, die wir zu unseren Produktionen bekommen.

Im Hauptberuf sind Sie pflegerischer Stationsleiter Abteilung Neurologie, Psychosomatik und Schmerztherapie am Stuttgarter Olgäle. Fließen Ihre Erfahrungen dort in Ihr kompositorisches Schaffen ein?

Im Olgäle habe ich verschiedene Aufgaben und natürlich hat auch die Arbeit in unserem Kinderschmerzzentrum Baden-Württemberg (so heißt auch unsere Abteilung) einen großen Einfluss auf meine Musik. In täglich stattfindenden Improvisationen mit Kindern und Jugendlichen nehmen wir Klänge, Geräusche, Rhythmen und Stimmen auf, die auch für die CD-Produktionen des Labels verwendet werden. So auch für „Tutanchamun“. Neben den sieben auskomponierten Hauptteilen des Albums wurden die Erzählübergänge („Rezitative“) mit diesen Improvisationen aus der Schmerztherapie musikalisch untermalt. So entstand ein Geflecht aus Orchestermusik mit Solistengesang und einer Erzählung mit Improvisationen junger an chronischen Schmerzen erkrankter Patienten. Dadurch hat die nominierte Produktion auch soziale und therapeutische Aspekte.

Was sind Ihre nächsten Projekte?

Gerade haben wir mit einem Streichquintett des SWR Symphonieorchesters die Aufnahmen zur nächsten Produktion Dornröschen abgeschlossen. Am 24. Februar führen wir im Olgäle Musik zu einer Gladiatorengeschichte auf. Diese Komposition für Bläserquintett wird wie Dornröschen noch in diesem Jahr, zusammen mit weiteren Projekten wie „Rumpelstilzchen“ und einem „französischen Märchen“ (mit Musik von Ravel), erscheinen. Wir haben also eine schöne Mischung aus traditionellen Märchen und neuen oder noch unbekannten Titeln. Es ist aber auch eine Produktion geplant, die in ferner Zukunft spielen wird. Das Konzept steht schon, es ist eine Art Sience-Fiction-Oper, das ist aber tatsächlich noch Zukunftsmusik.