Batman gegen Levin: Am Ende entscheidet der Vierjährige das Rennen für sich. Foto: Berkan Çakır

Normalerweise ist Batman nur nachts auf der Stuttgarter Partymeile unterwegs. Dieses Mal besucht die Fledermaus die Kinderklinik in Tübingen, und trifft dort den an Thalassämie erkrankten Levin.

Tübingen - Eigentlich ist der Tag nichts für Batman. Der 28-jährige Student, dessen wahre Identität unter der Maske nur wenige kennen, ist als Fledermaus normalerweise in kühlen Nächten auf der Stuttgarter Partymeile unterwegs, schießt Fotos mit den Feiernden und sammelt in einer kleinen Box Spenden, um sich sein Studium zu finanzieren. An diesem Tag scheint die Mittagssonne auf ihn herab, als er sein Haus verlässt – es ist eigentlich viel zu heiß für das Latexkostüm, in dem er steckt. Aber der Superheld will nach Tübingen, in die Kinderklinik.

Dort wartet Levin auf ihn – ein vierjähriger Junge, der an der angeborenen und wenig bekannten Krankheit Thalassämie leidet. Als seine Eltern herausfanden, dass Stuttgart seinen eigenen Batman hat, haben sie ihn zur Klinik in der Studentenstadt eingeladen. Denn die Fledermaus, so die Eltern, sei Levins Lieblingssuperheld.

Levin, der Superheld

Es ist Batmans zweiter Privateinsatz. Er sei eigentlich nicht aufgeregt, erklärt der schwarz Kostümierte, als er vor den Türen der Klinik aus dem Auto steigt. Obwohl der erste Einsatz von ganz anderer Art war: „Ich habe schon mal für ein Maultauschen-Restaurant Promotion gemacht“, sagt er, lacht und zieht sich die Maske über den Kopf.

Sein junger Fan, Levin, sitzt auf einem Stuhl im Hinterhof der Klinik, spielt mit einer Spielzeugfigur, als Batman mit einem Geschenkpaket in der Hand um die Ecke kommt. Der Vierjährige macht nur kurz große Augen, dann schlägt er verschüchtert den Blick nieder. „Du bist also Levin, der Superheld“, sagt Batman. Levin nickt und spricht nur wenig. Er trägt einen Mundschutz, denn er muss sich vor Keimen schützen. Seine Mutter Ferda hat immer eine Packung Desinfektionstücher dabei und reinigt alles, was mit ihrem Sohn in Kontakt kommt.

Die Familie wusste nichts von der Krankheit

Die Krankheit, die Levin befiel, wird auch Mittelmeeranämie genannt, weil sie häufig im Vorderen Orient und der afrikanisch stämmigen Bevölkerung auftritt. Im Körper kommt es dabei zu einem verminderten Hämoglobingehalt der roten Blutkörperchen, was verschiedene Folgebeschwerden von Knochenbrüchigkeit bis hin zur Organschädigung hat. Die Blutkrankheit ist erblich. „In der Familie war nie jemand daran erkrankt. Wir wussten nichts davon“, erzählt Mutter Ferda. Der Körper kann das defekte Gen in sich tragen, auch ohne, dass die Krankheit ausbricht.

„Als Levin geboren wurde, war er immer sehr bleich und schwach“, erinnert sich Ferda, da sei die Familie skeptisch geworden. In seinem sechsten Lebensmonat stellten die Ärzte schließlich die Anzeichen für Thalassämie fest. Tests wurden durchgeführt, auch bei den Eltern. Die Ergebnisse zeigten, dass sowohl der Vater als auch die Mutter das defekte Gen in sich tragen. „Die Chance, dass die Krankheit bei Levin ausbricht, lag bei 25 Prozent“, so die 33-Jährige.

Batman gegen Levin – ein Rennen

Mehr als drei Jahre lang erhielt ihr Sohn monatlich eine Bluttransfusion und Medikamente, um die Krankheitssymptome zu behandeln. „Er hatte schlimme Magenschmerzen, aber im Vergleich zu anderen Kindern hatten wir mit den Nebenwirkungen noch Glück“, sagt Ferda. Dann, vor eineinhalb Jahren, wurde die kleine Schwester geboren, Lia Su. Sie kam als Spenderin für eine Kochenmarks- und Stammzellentransplantation in Frage – der einzige Weg zur vollständigen Heilung ihres Bruders. Anfang Mai wurde die Transplantation durchgeführt, Levins Körper hat die Zellen angenommen, er befindet sich momentan auf dem Weg der Genesung. Jetzt hofft die Familie, dass der Körper die Zellen nicht abstößt. „Ihm geht es ganz gut“, sagt seine Mutter.

Nur vor der Sonne muss Levin sich schützen. Denn UV-Strahlen verträgt sein Körper nach der Transplantation nicht. Erst als sich die Wolken allmählich vor die Sonne schieben, treten der Vierjährige und die Fledermaus aus dem Schatten. Im Hinterhof der Klinik treten beide auf eine kurze Rennbahn für Kinder. Dann erfolgt der Start. Batman und Levin rennen los. Auf der 25 Meter langen Rennstrecke wird es knapp, aber am Ende gewinnt Levin. „Wenn er will, soll er sich ein Robin-Kostüm zulegen, dann machen wir gemeinsam Stuttgart sicherer“, scherzt Batman.

„Levin war immer sehr stark“, erzählt Ferda, „Er hat sich nie beklagt, warum gerade er krank geworden ist und alle anderen Kinder gesund sind. Er war es, der immer gesagt hat, dass wir schon bald wieder hier rauskommen.“ Am Donnerstag durfte Levin wieder nach Hause. Seine Kleidung, Spielzeuge und Kinderbücher wurden schon aus dem Krankenzimmer geräumt, in dem er seit Ende April stationiert war. „Er hat mir Kraft gegeben“, sagt seine Mutter, „Für mich ist er der größte Superheld.“