Tut alles mit Freude und erzählt mit ansteckender Begeisterung: Tänzer Pablo von Sternenfels Foto: Stuttgarter Ballet

In Hans van Manens Staffeltanz „Solo“ teilt sich Pablo von Sternenfels die Bühne mit zwei Jungs. Das dürfte den Mexikaner mit familiären Verbindungen zum Adelsgeschlecht aus dem Enzkreis an zu Hause erinnern: In der väterlichen Theatertruppe trat er mit seinen zwei Brüdern auf.

Stuttgart - Dass Pablo von Sternenfels seit dieser Spielzeit als Solist beim Stuttgarter Ballett tanzt und damit nur vier Saisons brauchte, um vom Eleven aufzusteigen, ist keine Überraschung. Der mexikanische Lockenkopf stach schon ins Auge, als er noch die Akademie der John-Cranko-Schule besuchte. Schuldirektor Tadeusz Matacz hatte dem Talent ein Stipendium angeboten und sich nicht getäuscht: Es ist diese explosive Energie im stimmigen und doch überraschenden Moment, die von Sternenfels’ Auftritte zu einprägsamen Erlebnissen macht. Und auch die Natur war gut zu dem heute 20-Jährigen, hat ihm lange Beine geschenkt, geschmeidige Füße, ein edles Profil.

Zuletzt war er als Ali Baba und Blauer Vogel in „Dornröschen“ zu sehen. Auf der anstehenden Asien-Tournee wird er in „Onegin“ den Lenski geben und in „Romeo und Julia“ erstmals Mercutio tanzen. Doch bevor die Reise losgeht, steht am Eckensee ein neuer Ballettabend an. In Hans van Manens „Solo“ für drei Tänzer darf der Mexikaner zeigen, dass er auch bei rasantem Tempo das richtige Timing behält. „Es ist ein lustiges Stück: sehr schnell und aufregend“, sagt der Solist, vor dem Training noch in Wollpulli und Cordhose. „Aus meiner Sicht geht es um drei Jungs, die Spaß haben und davon erfüllt sind.“

Erfüllt von Freude: Was auch immer Pablo von Sternenfels erzählt über sein Elternhaus, seine Kindheit zwischen Fußball und Ballett, seine Ausbildung in Mexico City, auf Kuba und schließlich in Stuttgart: Er tut es mit Herzblut und ansteckender Begeisterung. Sein Faible für den Tanz zähle zu seinen ersten Erinnerungen überhaupt. „Tanzen war mein Glück, ob alleine im Wohnzimmer oder wenn Besuch kam. Meine Reaktion war: Oh, denen tanzen wir etwas vor.“ Wir? Das sind Pablo und seine Brüder. Der ältere ist Schauspieler und studierter Filmemacher, der jüngere JazzSaxofonist. Ihn, das Mittelkind, zog es auf die Ballettbühne.

Seine Urahnen stammen aus der nahen Enzkreis-Gemeinde Sternenfels

Diese Laufbahn deutete sich an, als der neunjährige Pablo von einer privaten Ballettschule an die staatliche Tanzschule von Mexico City wechselte. „Ich schaute mir damals lauter Tanzfilme an, viele Videos mit Mikhail Baryshnikov“, blickt er zurück. Der aus Russland in die USA emigrierte Ausnahmetänzer ist einer, der nicht beim Ballett haltmachte, sondern auch den zeitgenössischen Tanz auslotet. Das klassische Fach genügt auch von Sternenfels nicht. Dass er seine Ausbildung in Stuttgart abschloss, hängt nicht etwa mit seinem schwäbischen Stammbaum zusammen; seine Urahnen stammen aus der nahen Enzkreis-Gemeinde Sternenfels. „Was mich hierhergelockt hat, war das breite Repertoire: Ich wollte auch Modernes tanzen und bei neuen Kreationen mitwirken. Das interessiert mich am meisten: in kreativer Atmosphäre Neues entwickeln.“

Schon als Knirps war von Sternenfels von Künstlern umgeben. „Mein Vater war Schauspieler“, erzählt er. „Schon früh hat er uns zu Konzerten oder zum Flamenco-Tanz mitgenommen. Ich war sehr jung und erinnere mich kaum. Aber die Leidenschaft der Tänzer und die begeisterten Kommentare meines Vaters haben sich eingeprägt.“ Als die drei Söhne alt genug waren, band sie der Vater in sein Ensemble ein. Auch die Mutter war dort tätig: „Sie managte alles: das Licht, die Kostüme und die Musik.“

Fast nebenbei sagt von Sternenfels: „Gemeinsam haben wir etwa ,Romeo und Julia‘ auf die Bühne gebracht.“ Als Sprechtheater darf man sich das wohl nicht vorstellen. „Mein Vater nutzte für seine Produktionen unsere unterschiedlichen Talente: Mein Bruder machte Musik, ich tanzte. Es waren oft gemischte Shows.“ Im Internet kann man Videos und Plakate finden, die eine Ahnung von den mitunter schrägen, komödiantischen Auftritten der „Los von Sternenfels“ geben.

Pablo von Sternenfels fand auch in Stuttgart Wege fand, die Künste zusammenzubringen

Bei all der spartenübergreifenden Bühnenerfahrung verwundert es nicht, dass Pablo von Sternenfels auch in Stuttgart Wege fand, die Künste zusammenzubringen. Gemeinsam mit dem Jazz-Saxofonisten Magnus Mehl ließ er bei einer Session im Theaterhaus Jazz auf improvisierten Tanz treffen. Mit von der Partie waren Elisa Badenes und Jesse Frazer. „Ich halte mich für einen Glückspilz“, sagt von Sternenfels. Mit Blick auf seine Familie und auch sonst. „Das kommt auch daher, dass ich alles mit Freude und großem Spaß tue.“ Sicher kennt auch er schlechte Tage: Verletzungen, Schicksalsschläge. „Vergangenes Jahr ist mein Vater gestorben“, sagt von Sternenfels knapp. „Letztlich muss man die Dinge, die ohnehin passieren, geschehen lassen. Es kommt darauf an, wie man sie nimmt.“

Alles andere als leicht war für den Mexikaner seine erste Zeit in Stuttgart. „Es war ein Kulturschock“, sagt er. „Das kühlere Klima, das ungewohnte Essen.“ Und noch etwas mag eine Rolle gespielt haben: „Seit Kindertagen hatte ich durch die Erzählungen und historischen Bilder eines Großonkels, der sich mit unserer Familiengeschichte am besten auskannte, eine Art Fantasiebild von Deutschland im Kopf.“ Das war erst einmal mit der Realität abzugleichen.

Mittlerweile fühlt sich der mittlere Spross der von Sternenfels wohl in Deutschland. Dazu trägt die reiche Jazzszene bei. Musiklokale wie das Bix, Rogers Kiste oder Merlin spricht der Mexikaner akzentfrei aus. Und auch die Aussicht auf Tamas Detrich als Nachfolger von Reid Anderson gibt ihm Sicherheit. Was er an ihm schätzt? „Er ist bei allem sehr leidenschaftlich dabei. Ich mag es einfach, wenn Leute lieben, was sie tun.“