Das Reinigungsgewerbe gehört zu den Branchen, in denen es viele Minijobber gibt. Foto: dpa-Zentralbild

Die Zahl der versicherungspflichtig Beschäftigten in Stuttgart steigt und steigt. Ende März waren es 411 346. Doch immer mehr Menschen arbeiten in Teilzeit. Und eine wachsende Zahl von Berufstätigen hat noch eine geringfügige Beschäftigung als Nebenjob.

Stuttgart - Der Arbeitsmarkt in der Landeshauptstadt ist dank der stabilen Konjunktur weiter in sehr guter Verfassung. Ende März lag die Arbeitslosenquote bei 4,3 Prozent, 0,1 Prozentpunkte unter dem Vormonat und 0,7 Punkte unter dem Märzwert vor einem Jahr. „Erfreulich ist, dass sich die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten weiter konstant nach oben entwickelt hat“, sagt Susanne Koch, die neue Chefin der Stuttgarter Agentur für Arbeit. Mit 411 346 Personen habe sich die Beschäftigung in der Stadt „nochmal um 1,5 Prozent gegenüber dem Vormonat erhöht“. Im Juni 2017 hatte man noch 405 383 versicherungspflichtig Beschäftigte registriert, ein Jahr davor lag man mit 396 516 noch unter der 400 000er-Marke.

Die Branchen haben zu dieser Entwicklung sehr unterschiedliche Beiträge geleistet. So hat sich das in Stuttgart mit dem Fahrzeug- und dem Maschinenbau stark vertretene verarbeitetende Gewerbe gut entwickelt, auch der Gesundheits- und der Sozialbereich. Nach wie vor „stark rückläufig“ sei die Beschäftigung aber bei Banken und Versicherungen, die sich weiter „in einem Konsolidierungsprozess“ befänden, sagt Agentursprecher Torsten Koritke.

Wenige Vollzeitjobs als Anfang der 1990er Jahre

Ansgar Schmitz-Veltin, der Abteilungsleiter Wirtschaft, Wohnen und Befragungen beim Statistischen Amt der Stadt, hat sich genauer angeschaut, wie der aktuelle „Beschäftigungshöchststand“ zustande kommt. Eine Auswertung der Zahlen bis 2016 zeigt: Insbesondere die Teilzeitarbeit hat zugelegt. Die 304 828 Vollzeitbeschäftigten, die man 2016 verzeichnete, waren damals – wie heute – und anders als die Gesamtzahl ider versicherungspfichtig Beschäftigten kein Höchststand. In der Boomzeit Anfang der 1990er Jahre gab es 346 321 Vollzeitbeschäftigte.

Dafür lag der Teilzeitanteil nur bei zehn Prozent. Im Jahr 2016 hatte dieser schon 23 Prozent erreicht. Bei den Männern hat sich dieser sogar von zwei auf neun Prozent fast verfünffacht (von 4300 auf 20 350 Beschäftigte). Bei den Frauen stieg der Teilzeitanteil von damals 21 auf 39 Prozent (von rund 33 500 auf 71 300 Beschäftigte). Entsprechend sind die Frauen heute in ähnlich hohem Maß am Arbeitsmarkt beteiligt wie die Männer, auf ihrer gestiegenen Erwerbstätigkeit beruht der Beschäftigunszuwachs.

Gestiegene Erwerbstätigkeit von Frauen entscheidend

Wobei Teilzeit sehr verschieden sein kann. So haben Frauen im Vergleich zu den Männern „oft einen sehr viel geringeren Beschäftigungsumfang“, sagt Ansgar Schmitz-Veltin. Anders als bei den Männern, bei denen die Zahl der Vollzeitbeschäftigten seit Anfang der 2000er Jahre wieder gestiegen ist, liegen diese bei den Frauen auch heute nicht höher als vor eineinhalb Jahrzehnten, anders als die Entwicklung der Zahlen zur Teilzeit.

Der Trend zur Teilzeit hat nach Ansicht von Schmitz-Veltin mehrere Gründe. Dieser zeuge bei den Männern von einem „gesellschaftlichen Wandel“. Dann versuchten viele Familien angesichts der stärkeren Erwerbsbeteiligung von Frauen so ihr Arbeits- und Privatleben in Einklang zu bringen, Stichwort: Work-Life-Balance. In einigen Branchen vor allem des Dienstleistungssektors sei auch „der Bedarf an Teilzeitpersonal gewachsen“.

Deutlich mehr Minijobs

Parallel zur zunehmenden Teilzeitarbeit hat sich ein weiterer Trend verstärkt: der Anstieg der geringfügigen Beschäftigung in Minijobs, die nicht in der Statistik der sozialversicherungspflichtigen Jobs enthalten ist. Deren Zahl ist in Stuttgart im Laufe von zehn Jahren zwischen 2007 und 2017 von 60 450 auf 69 940 gestiegen, das ist ein Plus von knapp 16 Prozent. Besonders bemerktenswert ist die Tatsache, dass diese Zunahme ausschließlich auf das Konto von geringfügiger Beschäftigung im Nebenjob geht, die von 20 764 auf 30 426 (plus 46 Prozent) zugenommen hat. Dagegen ist die Zahl der Menschen, die nur einen Minijob haben, im vergangenen Jahrzehnt sogar etwas gesunken (von 39 686 auf 39 514).

Schwer zu beantworten ist die Frage, ob diese Mehrfachbeschäftigung durch finanzieller Notwendigkeit begründet ist oder ob die Betreffenden ihr Einkommen durch die Kombination von Haupt- und Minijob optimieren und sich so ein Zubrot verdienen wollen. „Die Hauptbeschäftigungen von Mehrfachbeschäftigten sind meistens weniger gut bezahlt als die Beschäftigungsverhältnisse von Personen ohne Nebenjob“, fasst Ansgar Schmitz-Veltin das Ergebnis einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesarbeitsagentur zusammen. So seien Mehrfachbeschäftigte oft in der Verwaltung oder im Gesundheits- und Sozialwesen tätig. Ein Drittel übt den Nebenjob im selben Beruf aus, hat auf diese Weise aber – durch Brutto für Netto – etwas mehr Geld in der Tasche. Die Hauptgruppen, die so verfahren, sind Frauen, ausländische Bürger und Personen mittleren Alters, die im Hauptjob wenig verdienten, sagt Ansgar Schmitz-Veltin.

Arbeiten in Randzeiten

Insbesondere im Handel, der Gastronomie oder dem Transportwesen seien Minijobs zu finden, erklärt Torsten Koritke von der Arbeitsagentur. Diese Branchen böten gerade in den „Randzeiten“ am Abend und am Wochenende Verdienstmöglichkeiten, neben der regulären Arbeit oder für Frauen, die wegen der Kinderbetreuung nur zu diesen Zeiten arbeiten können.