Die Abrissarbeiten am Nordflügel sind schon recht fortgeschritten. Foto: dpa

Forderung nach S21-Bürgerbefragung und -Baustopp wird lauter. Neue Bilder vom Nordflügel.

Stuttgart - Die Initiatoren des Stuttgarter Appells haben ihre Forderung nach einem Baustopp und einer Bürgerbefragung über das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart 21 bekräftigt. Bei knapp 55.000 Unterzeichnern könnten sich Politik, Projektverantwortliche und Gegner einem offenen Dialog nicht länger verweigern. Nach Angaben der Initiatoren kommen die meisten davon aus Stuttgart und der Region.

„Es werden täglich mehr“, sagt Andreas Schairer und schwenkt einen Packen Unterschriftenlisten. Nicht nur auf Papier, vor allem im Internet haben Zehntausende Bürger den Appell zum Innenhalten bei Stuttgart 21 unterzeichnet. Vor einem Monat hat der Architekt angesichts steigender Spannungen in der Stadt den Aufruf zu Vernunft und demokratischem Verständnis aller Beteiligten gestartet.

Am Freitag, als sich der Unterschriftenzähler im Internet auf die Marke von 55.000 Unterstützern zubewegte, haben prominente Mitinitiatoren wie Ex-Daimler-Vorstandschef Edzard Reuter und der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Peter Conradi im Theaterhaus vorläufig Bilanz gezogen – und dabei eindringlich an die Kontrahenten appelliert, eine mögliche Eskalation zu vermeiden. „Alle Fakten des Projekts sind auf den Tisch zu legen“, sagte Reuter und forderte eine Diskussion zwischen Gegnern und Befürwortern. „Danach soll das Volk über das Projekt urteilen“, nannte der pensionierte Manager eine landesweite Bürgerbefragung als zweiten Schritt. Das Votum soll parlamentarischen Gremien allerdings nur als Orientierung dienen. „Es ist legitim, dass Parlamente dann erneut über Stuttgart 21 beschließen“, so Reuter.

Während des Diskussions- und Abstimmungsprozesses müssten alle Bauarbeiten für das Bahnprojekt ruhen. „Beim größten und teuersten Infrastrukturprojekt Europas in diesem Jahrzehnt muss man ein paar Wochen Zeit haben, um ungeklärte Fragen zu klären“, sagte Conradi.

Nach Einschätzung der Initiatoren müssten Bagger und Baumsägen unter Umständen bis zu einem halben Jahr stillstehen, um alle Unklarheiten und Einwände in verkehrlicher, finanzieller und geologischer Sicht aus dem Weg zu räumen. „Es ist immer noch offen, ob die Kapazität des neuen Tiefbahnhofs ausreicht“, nannte Conradi ein Beispiel aus „zahlreichen ungeklärten Fragen“. Die Kapazität der Gäubahn im Filderbereich und die Auslastung der bestehenden Filstalstrecke über die Alb seien ebenfalls am Runden Tisch zu klären. Nutzenrechnung und Finanzierung der geplanten Neubaustrecke zwischen Wendlingen und Ulm müssten nachvollziehbar dargelegt werden.

„Es wäre frivol, jetzt Stuttgart 21 zwischen Feuerbach und Wendlingen zu bauen, wenn die Neubaustrecke wegen Finanzierungslücken überhaupt nicht kommt“, so Conradi. Erläuterungen erwartet der Architekt aber nicht von bahneigenen Entwurfsplanern, sondern von unabhängigen Experten, die noch von beiden Seiten zu benennen seien. „Bislang begutachten die Planer ihre eigenen Pläne selbst“, sagte er. Heftig kritisierte Reuter, dass sich die Bundesregierung als größter Geldgeber des Projekts bisher in der Diskussion zurückhalte. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sieht er als möglichen „Vermittler eines unabhängigen Moderators für eine Sachdiskussion“.