Travestie-Fräulein Wommy Wonder, Zauberer Thorsten Strotmann und die magische gelbe Maske. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Zaubern mit viel Abstand, Comedy mit Gästen und ein Wahlkampf ohne Bürgernähe. Stuttgart in Corona-Zeiten – alles ist möglich. Aber es ist anders.

Stuttgart - Man kennt sie in der Stadt und sie kennen sich lange – aber am Dienstag sind sie erstmals gemeinsam auf der Bühne gestanden: das Travestie-Fräulein und der Magier. Wie berichtet bespielt Wommy Wonder alias Michael Panzer seit Ferienbeginn wacker das Theater der Altstadt und lädt sich immer dienstags einen Gast ein. Diese Woche war’s Thorsten Strotmann, der seine Magic Lounge im Römerkastell nach der Sommerpause am Montag wieder öffnet.

Ein schräges Paar, vor allem im Abschluss-Talk, als Wommy als Raumpflegerin Elfriede Schäufele in der Kittelschürze mit Strotmann im schwarzen Samtjacket plauderte – wortwörtlich überragend. Man glaubte der Elfriede sofort, dass sie den Mann an ihrer Seite am liebsten ohne Jacke und Hemd auf einer schwarzen Ledercouch sehen würde. Wommy verschoss ihre Giftpfeile, sich selbst nicht ausnehmend („wo ich bin, ist der Alkohol“), Strotmann zeigte sich beim Zaubern auf der Höhe der Zeit. „Die Frage ist: Wo entsorgen wir die Masken?“ Der Meister des Verschwinden-Lassens hatte darauf prompt eine Antwort. Ab mit dem gelben Mund-Nasen-Schutz in die durchsichtige, Plastiktüte, diese über die Faust gezogen, Maske zerknüllt, Tüte aus – Mundschutz weg. Wenn nur alles so einfach wäre.

Das Mögliche unmöglich machen

„Ein Zauberer macht das Unmögliche möglich, ein Politiker das Mögliche unmöglich.“ Diese Weisheit gab Strotmann den Zuschauern mit. Allerdings: Sehr viele Möglichkeiten bietet der OB-Wahlkampf in Stuttgart in diesem verrückten Jahr nicht. Ein Bad in der Menge nehmen? Mangels Gelegenheit (etwa Weindorf oder Volksfest) gestrichen. In großer Runde diskutieren? Ebenso undenkbar. Immerhin: Am Donnerstag bekamen drei Kandidat*innen für das Amt der Stuttgarter Oberbürgermeisters die Gelegenheit, sich vor rund 80 Gästen zu präsentieren.

Die Wirtschafts- und Industrievereinigung (WIV) Stuttgart hatte zum SommerTreff ins SSB-Veranstaltungszentrum Waldaupark eingeladen. Und der weitläufige Garten erwies sich als Glücksfall: die Stühle, Stehtische und Lounge-Möbel waren locker auf dem Rasen verteilt. Wer Böses denken wollte, konnte sich höchstens fragen, warum Martin Körner (SPD), Veronika Kienzle (Grüne) und Frank Nopper (CDU) an ihren Stehtischen direkt hinter der Tarzan-Bahn platziert waren. Sind die drei und ihrer Mitkonkurrenten einsame Rufer im Dschungel der Großstadt?

Auffallend war: Alle drei betonten, wie wichtig die Nähe zu den Menschen sei. Ausgerechnet jetzt, wo Abstand das Gebot der Stunde ist. „Die OB-Wahlen werden in einer besonderen Zeit stattfinden“, sagte Stefan Körner, der vor wenigen Tagen seinen 50. Geburtstag gefeiert hat, sicher auch anders als geplant. Er dankte dem WIV-Vorsitzenden Günter Sabow, der mit der Veranstaltung die „Balance zwischen Vorsicht und Zuversicht“ gefunden habe.

„Wir müssen jetzt zusammen stehen“, betonte Veronika Kienzle. Das gelte auch in der Kommunalpolitik: „Wir können nichts ohne die Menschen tun, die hier leben.“ Frank Nopper, der seine Frau Gudrun einst auf der Waldau kennen gelernt hatte, formulierte das auf seine Weise: Es brauche einen neuen „Stuttgart Spirit“, die Stadt müsse wieder leuchten „als Stern des Südens“. Bis dahin leuchteten am Abendhimmel die Sterne über der Waldlichtung. Und als gegen später Christine und Rubén Mora vor der Waldlichtung Verdi-Arien sangen, war das ein ziemlich berückender „Stuttgart Spirit“.