Die besondere Andacht wurde auf dem Bauernhof Pfisterer gehalten. Foto: Georg Linsenmann

Ein Gottesdienst der besonderen Art wurde in der Reihe „Orte der Passion“ gefeiert: Auf dem Bauernhof der Familie Pfisterer im Zuffenhäuser Ortskern.

Zuffenhausen - Leicht, ganz leicht lässt sich die Einfahrt zum Haus mit der Nummer 91 in der Ludwigsburger Straße übersehen. Allein der auf dem Parkplatz davor stehende Traktor könnte ein Hinweis darauf sein, dass diese enge Einfahrt nicht zu einer Garage oder einem beliebigen Hinterhof führt. Dass sich hier aber der letzte mitten im Ort wirtschaftende Bauernhof finden ließe, darauf dürfte in einer der Landwirtschaft entwöhnten Stadt selten jemand kommen. Wenn aber doch, dann läge auch gleich der Gedanke nahe, dass der hineinführende Schmalweg eine Art Passionsgässle darstellt. Denn wer da aus dem ungeduldig hupenden Verkehr heraus notgedrungen rückwärts hineinstoßen muss mit Traktor und Anhänger, der braucht nicht nur Lenkungsgeschick, sondern auch Leidensfähigkeit. Und wohl auch Nerven wie Stahlseile.

Just hier nun, im Wirtschaftshof des Gehöftes von Landwirt Christof Pfisterer, fand die Reihe „Orte der Passion“ der evangelischen Kirchengemeinde in der Karwoche mit einer vielfach sinnfälligen Andacht ihren Abschluss. Und deren Anfang war, wie der Tagesrhythmus des Bauern, vom Milchvieh bestimmt. Denn Tiere wollen versorgt, Kühe gemolken werden – und das möglichst zu fixen Zeiten. So präludierte schon der etwas spätere Beginn ganz unmerklich das Leitmotiv dieser Andacht: Sich als Städter einmal ein wenig einzulassen auf bäuerliche Notwendigkeiten.

Der Hof füllt sich vom Tor bis zur Scheune

Die Bereitschaft dafür scheint keineswegs gering zu sein. Denn als die Kundschaft, die die Gelegenheit nutzt, werktäglich ab 19 Uhr fast noch kuhwarme Milch direkt beim Bauern zu kaufen, gegangen, als die Bänke und Tische aufgestellt waren, füllte sich der Hof vom Tor bis zur Scheune und bis fast zum letzten Stehplatz.

Mit Händelscher „Wassermusik“ gemahnte der Posaunenchor sogleich an die Elemente, an die Wachstum und Gedeihen gebunden sind, und ein Psalm Davids benannte, „wie wir als Menschen eingeordnet sind zwischen Gott und Tier“, wie Pfarrer Dieter Kümmel feststellte: „Alles hast du unter seine Füße getan. Schafe und Rinder allzumal, dazu auch die wilden Tiere.“ Schon die biblische Sprache war hier, am ungewöhnlichen Ort, eine Einladung zur Besinnung auf eine andere Welt, wozu auch Kümmel einlud: „Atem holen und nicht hetzen, unser Schweigen nicht verletzen.“ Wobei ein Dazwischenmuhen eher wie eine Bekräftigung wirkte, das Aufheulen der Motoren und das Scheppern der Straßenbahn wie der Gegenteil.

Facettenreich in Text und Musik

Überaus facettenreich, in Text und Musik gleichermaßen, waren dann die Anregungen zur Besinnung. Von Gemeindeliedern wie „Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt“, über den instrumentalen Choral „Alle gute Gabe“ mit Matthias Claudius im Hinterkopf bis zu Fürbitten und zum Segen. Wie von alleine verband sich hier das Spirituelle mit dem Profanen. Auch in der Predigt, in der Kümmel die Entfremdung des Städters vom Bäuerlichen benannte, eng verschwistert mit der romantisch gefärbten Sehnsuchtsprojektion nach einer heilen Natur: „Für Freizeit, Sport und Spiel – und Hundeklo“. Widersprüche, die sich bis ins Kaufverhalten fortsetzen. Hierzu halte uns „das Passionsgeschehen einen Spiegel vor“: Wenn Petrus Jesus verrät und so „den oft großen Unterschied zwischen innerem Wollen und konkretem Tun“ offenlege.

Wie ein Weckruf wirkte da der vorgelesene Brief eines Landwirtes: „Du lieber Verbraucher!“ Eine Art Passionsgeschichte zwischen der Leidenschaft für die bäuerliche Arbeit, der „unser täglich Brot“ entstammt – und deren Lohn dem Bauern kaum reicht fürs eigene Existieren. Auch zwischen Wegwerfmentalität und Luxusbegehren, zwischen Wirsing, Weißkohl und Artischockenherzen. Vehemente Einwürfe, die „offene Augen füreinander“ befördern sollen, und die nicht nur innerlich andächtig machten, sondern auch sensibel und hellwach, weshalb bei bereits eingebrochener Dämmerung das Lied „Nun ruhen alle Wälder, Vieh, Menschen, Städt und Felder“ den passenden, den leuchtenden Schlusspunkt gab.