Die acht Stuttgarter Gemeinschaftsschulen entwickeln derzeit ein Konzept für die Sekundarstufe II. Bildungsbürgermeisterin Isabel Fezer unterstützt das Vorhaben. Die Oberstufe soll an einem Standort gebündelt werden und einen direkten Weg zum Abitur ermöglichen.
Stuttgart - Die Stadt Stuttgart will den Schülern der acht Gemeinschaftsschulen baldmöglichst eine gymnasiale Oberstufe anbieten. Dies erklärte Bildungsbürgermeisterin Isabel Fezer (FDP) nach einem Treffen mit den Schulleitungen der Gemeinschaftsschulen unserer Zeitung. Auch die Fraktion der Grünen hat dies bereits gefordert. „Wir können heute sicher sagen, dass eine Sekundarstufe II kommt – 60 Schüler werden wir zusammenkriegen“, so Fezer.
Um diese Mindestzahl zu erreichen, wollen die Gemeinschaftsschulen die gymnasiale Oberstufe an einem Standort bündeln. Das könnte nach Fezers Einschätzung frühestens im Schuljahr 2020/21 erreicht werden, wahrscheinlich aber im Schuljahr 2021/22. „Wir möchten Perspektiven schaffen für die Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschulen – wir stehen hinter diesem Bildungsangebot in dieser Stadt.“
Barbara Koterbicki, die geschäftsführende Schulleiterin der Gemeinschafts-, Real- und Werkrealschulen, unterstützt das Vorhaben: „Man hat die Schulart eingeführt mit der Option, alle Schulabschlüsse anzubieten.“ Doch einen direkten Weg zum Abitur ohne Schulartwechsel gibt es bisher an Stuttgarter Gemeinschaftsschulen nicht. Die ältesten Gemeinschaftsschüler in der Landeshauptstadt sind die Neuntklässler der Elise-von-König-Schule in Stuttgart-Münster, der ersten Gemeinschaftsschule in Stuttgart. Die Frage, wie es nach der zehnten Klasse weitergeht, beschäftigt nicht nur sie. Viele Eltern wollten bereits bei der Anmeldung wissen, ob an der Gemeinschaftsschule auch ein Abi möglich sei. Die Unklarheit habe auch dazu beigetragen, dass die Nachfrage nach der Gemeinschaftsschule erstmals rückläufig gewesen sei, meint Koterbicki.
In Stuttgart ist die Schickhardschule als Standort für eine Sekundarstufe II im Gespräch
Fezer berichtete, sie habe sich bereits vor einem Jahr an das Kultusministerium gewandt und den Bedarf für einen oder zwei Standorte zur Einrichtung einer Sekundarstufe II für die Gemeinschaftsschulen angemeldet. Dies auch vor dem Hintergrund, dass damals bereits die ersten Schulträger entsprechende Anträge gestellt hatten und das Land signalisiert hatte, die Zahl der Sekundarstufe-II-Standorte im Land auf zehn zu begrenzen.
Laut Kultusministerium dürfen die ersten zwei gymnasialen Oberstufenstandorte zum kommenden Schuljahr in Tübingen und Konstanz starten. In Stuttgart ist die Schickhardt-Gemeinschaftsschule als möglicher Standort im Gespräch. Derzeit untersucht das Schulverwaltungsamt mit der Uni Stuttgart, wie das nach und nach frei werdende Gebäude der Heusteigschule von der Schickhardt-Gemeinschaftsschule mitgenutzt werden kann. „Die räumlichen Voraussetzungen wären dort grundsätzlich gegeben“, sagte Karin Korn, die Leiterin des Schulverwaltungsamts, auf Anfrage. Fezer betonte jedoch, es sei in dieser Frage noch nichts entschieden.
Ohne eine gymnasiale Oberstufe bliebe Gemeinschaftsschülern nur die Möglichkeit, nach der zehnten Klasse auf ein berufliches Gymnasium zu wechseln oder in Klasse zehn eines allgemeinbildenden Gymnasiums. Doch im Unterschied zur Gemeinschaftsschule gilt bei diesen Optionen die multilaterale Versetzungsordnung. Das bedeutet, die Schüler können sitzen bleiben. Auch die individuelle Förderung einer Gemeinschaftsschule könnten diese Schularten nicht bieten, so Koterbicki. Hinzu kommt: Die Nachfrage bei den Stuttgarter Wirtschaftsgymnasien und am Sozialwissenschaftlichen Gymnasium sei „ungebrochen höher als die Aufnahmekapazität“. Das bedeutet: Nur die besten Schüler werden aufgenommen. Und an den allgemeinbildenden Gymnasien herrsche durch die anhaltend hohe Nachfrage Raummangel.
Inzwischen gibt es an den Gemeinschaftsschulen in Stuttgart genügend Gymnasiallehrer
Nicht nur aus der Sicht von Eltern und Schülern würde die Gemeinschaftsschule durch eine gymnasiale Oberstufe an Attraktivität gewinnen. Auch für ausgebildete Gymnasiallehrer wäre ein Wechsel an diese Schulart dann attraktiver, argumentieren Koterbicki und ihre Schulleiterkollegen. Im vergangenen Schuljahr waren Gymnasiallehrer an Gemeinschaftsschulen noch Mangelware, besonders in Mathe. Das lag auch daran, dass Pädagogen an Gemeinschaftsschulen bei vollem Deputat 27 Wochenstunden unterrichten müssen, an Gymnasien nur 25 Wochenstunden. Mittlerweile sind aber nach Auskunft des Regierungspräsidiums alle Gymnasialstellen an Stuttgarter Gemeinschaftsschulen besetzt, aktuell werden 31 Gymnasiallehrer beschäftigt.