Die Häuser in Holzbauweise an der Hechinger Straße wachsen zügig in die Höhe. Im Frühsommer soll das letzte fertig sein, so der Plan. Foto: Alexandra Kratz

Baugemeinschaften sind im Trend. Zwei Familien erklären, warum sie sich für dieses noch recht neue Konzept entschieden haben. Es gibt viele Vorteile, aber eben auch manchen Nachteil.

Möhringen - Wohnen mitten in der Stadt. Den Lebensmittelmarkt, die Schule, die Arztpraxis und bestenfalls sogar das Büro fußläufig oder zumindest mit dem Fahrrad erreichbar – davon träumen viele junge Familien. Doch bei den aktuellen Grundstücks- und Immobilienpreisen in den Ortsmitten bleibt es für die meisten ein frommer Wunsch.

Auch Nancy Irrgang und Tobias Seidl träumen davon. Doch für sie wird es Wirklichkeit. Denn beide machen mit bei einer Baugemeinschaft. So nennt man einen Zusammenschluss von Personen, die gemeinsam ein Grundstück erwerben, um darauf ihre Traumwohnung oder ihr Traumhaus zu verwirklichen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Zum einen lässt sich das Wohneigentum oft günstiger realisieren, als wenn man allein baut oder schlüsselfertig von einem Bauträger kauft. Zum anderen können die Mitglieder einer Baugemeinschaft nicht nur ihre eigene Bleibe, sondern auch ihre Nachbarschaft aktiv gestalten. Das Ganze hat natürlich seinen Preis: Die Mitglieder investieren viel Zeit und Energie, die Abstimmungsprozesse mit allen Beteiligten dauern lang, Kompromissbereitschaft ist gefragt.

Zeitweise treffen sich die Mitglieder der Baugemeinschaft jede Woche

Nancy Irrgang und Tobias Seidl haben ihre Entscheidung trotzdem nie bereut. „Uns war der Nachhaltigkeitsgedanke besonders wichtig. Hier wohnen wir zentral und haben kurze Wege“, sagt der Vater dreier Kinder. Nancy Irrgang schätzt vor allem „das Gemeinschaftliche“. „Wir kennen unsere Nachbarn schon, man weiß, wo man hinkommt“, sagt sie. Auch die Kinder hätten untereinander bereits Kontakte geknüpft, fügt Seidl hinzu.

Doch die Familien brauchten einen langen Atem. Nancy Irrgang ist von Anfang an dabei. Sie war im Internet auf Immobilienscout 24 unterwegs, als sie auf das neue Wohnbauprojekt an der Hechinger Straße in Möhringen stieß. Das war 2014. Nach und nach fanden sich immer mehr Familien und gründeten schließlich die Baugemeinschaft „Stadt Haus natürlich“. Die verschiedenen Eigentümer treffen sich seitdem alle 14 Tage, zeitweise sogar jede Woche, um sich abzustimmen.

Für die Gewerbeeinheit wird noch ein Interessent gesucht

Rechtlich ist die Baugemeinschaft eine GbR, Nancy Irrgang ist die Geschäftsführerin, die diese nach außen vertritt. Diese offizielle Unternehmensform braucht es, bis die Häuser fertig sind. Danach bilden die zwölf Bauherren eine Wohneigentümergemeinschaft wie bei Eigentumswohnungen in einem Mehrfamilienhaus. Das heißt, es gibt auch Gemeinschaftseigentum, wie zum Beispiel den Hof, den alle zusammen nutzen.

Im Frühsommer soll es soweit sein. Dann soll die letzte Familie in ihr neues Eigenheim einziehen können. An der Hechinger Straße entstehen neun Reihenhäuser und ein Mehrfamilienhaus mit drei barrierefreien Wohnungen. Im Erdgeschoss dieses Gebäudes befindet sich eine kleine Gewerbeeinheit mit 23 Quadratmetern, einer kleinen Küche und WC. Die Stadt hatte darauf gedrungen, dass es in dem Komplex auch eine gewerbliche Fläche gibt. Aktuell wird diese von der Baugemeinschaft finanziert. Diese sucht nun noch einen Käufer für das Büro beziehungsweise den Laden.

Die Stadt vergibt Grundstücke zu einem Festpreis

Das Ensemble wächst derzeit zügig in die Höhe. Die Firma Rubner Objektbau wurde als Generalunternehmer beauftragt. Das Besondere an den Häusern ist die Holzbauweise. Böden, Wände und Decken sind aus Südtiroler Fichte. Das ist nachhaltiger, geht schneller und ermöglicht bei gleicher Fläche mehr Wohnraum. Denn die Holzwände sind acht Zentimeter dünner, ohne qualitativ schlechter zu sein. Sie dämmen ebenso gut wie ein Massivbau, verspricht die Firma Rubner. Nachhaltig ist das Ensemble auch dank Blockheizkraftwerk und Solaranlage.

Dass sich mehrere Privatpersonen zu einer Baugemeinschaft zusammenschließen, ist in Stuttgart noch eine recht junge Entwicklung. Eine der ersten, die so genannten Nager, gründete sich 2012 in Kaltental als rein private Initiative. Mittlerweile ist auch die Stadtverwaltung auf das Thema aufmerksam geworden. Seit 2013 vergibt sie eigene Grundstücke zu einem Festpreis an Baugemeinschaften. Das bedeutet, dass nicht die Gruppe bauen darf, die das meiste Geld bietet, sondern diejenige, die aus Sicht der Verwaltung das beste Konzept vorlegt. So war es zum Beispiel an der Bernsteinstraße in Heumaden und eben auch in Möhringen.

Weitere Informationen zum Thema Baugemeinschaften in Stuttgart bekommt man von der städtischen Kontaktstelle per E-Mail an baugemeinschaften@stuttgart.de. Auch wer Interesse an der noch verfügbaren Gewerbeeinheit in Möhringen hat, kann sich dorthin wenden.