Der Totentag ist für die Mexikaner kein Trauertag, sondern ein buntes Volksfest zu Ehren der Verstorbenen. Foto: Petra Mostbacher-Dix

Beim Workshop im Kulturzentrum Merlin haben Kinder eine Ofrenda, einen Allerseelenaltar, gebastelt. Es ist der erste Workshop dieser Art im Merlin.

S-West - „Es macht Spaß, da drin herumzukneten.“ Begeistert hebt Ylva einen weißen Totenkopf in die Höhe. Die Achtjährige hat ihn aus einer feuchten, mit Eiweiß gebundenen Zuckermasse geformt. Nun stellt sie ihn auf den Altar, der im Kulturzentrum Merlin aufgebaut wurde. Dort stehen schon einige Zuckerschädel, so genannte Calaveras. Einer trägt Brille, ein anderer sieht aus wie ein Clown – und ein dritter wie Captain Jack Sparrow aus dem Film „Fluch der Kabirik“. Gebastelt wurden sie von elf Kindern, die sich zu einem Ofrenda-Workshop eingefunden haben. Ofrenda meint im Spanischen Opfergabe. Die Mexikaner bezeichnen damit auch einen Altar, den sie zu Allerseelen, dem Día de los Muertos, mit Blumen, Kerzen und allerlei Essbarem aufbauen – für die Seelen der Verstorbenen. Diese, so glauben sie, sollen in der Nacht vom 1. auf den 2. November die Lebenden besuchen. Und auf der langen Reise brauchen sie Stärkung, vor allem „Calaveras“ aus Zucker, Marzipan oder Schokolade. Der Totentag ist für die Mexikaner kein Trauertag, sondern ein buntes Volksfest zu Ehren der Verstorbenen.

Es ist der erste Workshop dieser Art für Sechs- bis Zwölfjährige im Merlin. „Wir wollten Familien etwas anbieten, das neben Süßigkeiten schnorren an Halloween und dem Trauern am 1. November einen dritten Blick auf das Thema Tod wirft“, so Annette Loers, eine der Merlin-Geschäftsführerinnen. „In Mexiko wird am Día de los Muertos ja sogar auch auf dem Friedhof gefeiert.“

Das Thema Trauer ist präsenter geworden

Maike Sanders , die den Workshop leitet, will den Kindern zeigen, wie vielfältig die Formen sind, mit Tod und Trauer umzugehen. Seit mehr als zehn Jahren bietet die einstige Kommunikationsdesignerin in Schulen und Institutionen für Kinder, Eltern, Lehrer oder Mitglieder von Krisenteams Projekte zur Trauerkultur aus aller Welt an. „Ich war selbst betroffen – und hatte Glück, dass mein Umfeld mich unterstützte“, so Sander. Viele müssten jedoch allein mit der Trauer fertig werden - nicht, weil ihre Mitmenschen so gleichgültig wären, sondern aus purer Hilflosigkeit. „Ich will vermitteln, wie man damit umgehen kann.“

Als Sanders erstmals an eine Schule in Stuttgart mit den Ofrendas herantrat, hätten die gestutzt. Mittlerweile öffneten sich diese – nicht zuletzt durch die Hospize sei das Thema Trauer präsenter geworden. Ein Flaschenhals seien die Eltern, die ihre Kinder schützen wollten. „Das ist verständlich, aber Kinder gehen anders mit Trauer um, als man denkt. Sie stellen oft direktere Fragen, das ist gut.“ Das sieht auch Yvy Heußler so, die mit ihrem Sohn zum Ofrenda-Workshop gekommen ist. „Wir blenden aus, dass der Tod zum Leben gehört.“ Ihr gefällt auch, „dass Kinder hier kreativ tätig sind und dabei andere Kulturen kennenlernen – ein Gegenprogramm zum zunehmend kommerzialisierten Halloween.“ Jochen Felsen, der mit seinen Jungs da ist, stimmt zu: „Das ist eine schöne Art, die drei zu beschäftigen.“

Das scheinen alle Kinder so zu sehen. „Cool, ein Fest für die Toten zu feiern“, sagt Theo, während er eine Totenkopfmaske aus Papier bemalt. „Eine besondere Art mit Halloween umzugehen!“ Matti, Johnny und Ian pflichten ihm bei. Indes sei doof, so Ian, dass man die Köpfe nicht essen könne. Ihr Kumpel Moritz schüttelt den Kopf: „Kann man schon! So viel Zucker auf einmal schmeckt bloß nicht.“