Schöne Erinnerungen beispielsweise an das Spiel mit Plastikindianern in Kindertagen oder an die Karl-May-Lektüre hellen die Stimmung auf. Foto: Kathrin Wesely

Wer weiß, wie die Psyche funktioniert, findet im Leben leichter zurecht. Deshalb will die Stiftung Psyche in ihrer Ausstellung ein paar grundlegende Erkenntnisse der Psychologie vermitteln. Nun widmet sich ein Bereich speziell jugendlichen Besuchern.

S-West - Die meisten lernen in der Schule, wie das Skelett aufgebaut ist, wie Organe funktionieren, wie man schmeckt, riecht, hört. Aber beim Thema Psychologie sind viele blank, man begnügt sich mit Vorurteilen, obwohl schon ein paar Grundlagen das Leben ungemein erleichtern könnten. Hier setzt die Stiftung Psyche an. Vor drei Jahren hat sie in der Johannesstraße 75 die Dauerausstellung „Brechungen der Seele“ eröffnet. Die wissenschaftliche Präsentation erklärt auf lebensnahe Weise die Phänomene Glück, Angst, Konformität, Autorität, Persönlichkeit, Geschlechterrollen und Work-Life-Balance. In einem neu eingerichteten Bereich wenden sich die Ausstellungsmacher nun ans jugendliche Publikum.

Ein Baum als Selbstporträt

„Beliebt bei den Schülergruppen ist der Baum-Test nach Karl Koch“, sagt Gerrit Christmann und schlendert zum Stehtisch mit den Zetteln und Stiften. Die Schüler zeichnen einen Baum – ohne zu wissen, dass er gewissermaßen ein Selbstporträt ist. Anhand eines Arbeitsbüchleins können sie selbst analysieren, was es heißt, wenn das Wurzelwerk in ihrer Zeichnung fehlt, der Stamm spindeldürr geraten ist oder die Baumkrone einem Schaumbad gleicht. Bis heute findet der Test des Schweizer Psychologen von 1952 international Anwendung, um die Persönlichkeit zu ergründen.

Auch die optische Aufmachung des Ausstellungsbereichs versucht, junge Besucher besonders anzusprechen. Ein übergroßes Album mit Comics und Karikaturen widmet sich psychologischen Einsichten, volkstümlichen Stereotypen und berühmten psychologischen Experimenten wie dem Pawlowschen Hund, dem Milgram-Experiment, der Subjektivität des Zeitempfindens oder der Bedürfnispyramide nach Maslow, der zufolge die Menschen erst dann nach Prestige, Freiheit oder gar Selbstverwirklichung streben, wenn ihre Grundbedürfnisse gestillt sind. All das ist in den Comics verkürzt und pointiert dargestellt. Es wird in knappen Texten erläutert und in den Führungen von Gerrit Christmann vertieft.

Elektroschocker außer Betrieb

Von Haus aus ist der 34-Jährige gar kein Psychologe. Er hat Kunst und Geologie auf Lehramt studiert und arbeitet in einem Jugendtreff. Aber er ist der Sohn seines Vaters, Fred Christmann, Psychotherapeut, spiritus rector und Leiter der Stiftung Psyche. Der Sohn bringt sein pädagogisches Knowhow ein sowie Ideen zur gestalterischen Umsetzung der zu veranschaulichenden Theorien.

Und manchmal stehen auch kleinere Reparaturen an. „Die Batterien des Elektroschockers sind schon wieder leer“, sagt er etwas genervt, weil so die kleine Vorführung ausfallen muss. Die Schüler haben einen Faible für das Gerät, mit dem das Milgram-Experiment gewissermaßen sinnlich erfahrbar gemacht werden soll – auf gefahrlosem Level, versteht sich. Im ursprünglichen Experiment wird die Bereitschaft eines Menschen getestet, autoritären Anweisungen auch dann zu gehorchen, wenn dies Gewissensbisse verursacht. Die Probanden sollten „Schülern“ bei Fehlern mit einem vermeintlichen elektrischen Schlag bestrafen und die Voltzahl nach jedem Fehler erhöhen. Das Gros der Probanden leistete dieser Anweisung Folge, unbeirrt von den markerschütternden Schmerzensschreien der „Schüler“.

Erinnern macht glücklich

Die Jugendlichen lernen in der Ausstellung aber nicht bloß die dunklen Seiten der menschlichen Psyche kennen, sondern auch die hellen und wie man diese aktiviert – etwa die positive Erinnerung. Zur Veranschaulichung sind in einer Vitrine Objekte aufgestellt aus Fred Christmanns ganz persönlicher Erinnerung: die Indianer-Figuren, die ihn an das unbeschwertes Spielen als Kind erinnert, wenn er so ganz im Augenblick aufging, die Wiege, die ihn an das Glück der Geburt seiner beiden Söhne erinnert. Einige Besucher haben eigene glückliche Erinnerungen auf Zetteln hinterlassen. Eine Frau denkt freudig an ihre Schwangerschaft zurück, wer anderes an Kindertage bei den Großeltern, ein Dritter daran, „als wir unseren Hund bekommen haben“. Schöne Erinnerungen verbessern die Stimmung, so Gerrit Christmann. „Das aktive Erinnern macht glücklich, und es lässt sich ganz bewusst einsetzen.“

http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.stiftung-psyche-in-s-west-es-begann-mit-einem-zusammenbruch-page1.3ef11fa6-e75b-494e-8659-1752a5d7b81a.html

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.psychologie-wie-gluecklich-das-macht.c89bb557-df7e-4bc7-99ff-c9d57b144cb6.html