Jochen Friz an einem Destilliergerät für Abfindungsbrennereien in der Weinbauschule Weinsberg Foto: Tanja Kurz

Das Staatliche Kompetenzteam an der Weinbauschule Weinsberg soll einen gefährdeten Agrarzweig sichern. Jährlich gibt es 186 000 Euro vom Landwirtschaftsministerium. Hilft das unter anderem die Streuobstwiesen zu erhalten?

Weinsberg/Stuttgart - Wenn Jürgen Friz mit seinen Besuchern im Keller steht, leuchten seine Augen ob der beiden kupfernen Schmuckstücke, die seit kurzem hier stehen. Die 100 000 Euro teure Hightech-Anlage des sogenannten Kompetenzteams Brennerei an der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau in Weinsberg (Kreis Heilbronn) bildet das Herzstück der Einrichtung, die den zumeist im Nebenerwerb tätigen Brennern im Land beratend zur Seite steht. Anstoß für die bundesweit einzigartige Institution gab seinerzeit das Ende des Branntweinmonopols, über das der Staat Brennern bis Ende 2017 einen Teil des Alkohols garantiert abkaufte. Am 1. Januar 2018 war Schluss und die Befürchtung groß, viele Brenner würden aufgeben.

Vierköpfige Eingreiftruppe hilft

Zum Wohle des gefährdeten Agrarzweigs und in Sorge um die Erhaltung der rund 100 000 Hektar Großteils Streuobstwiesen im Land finanziert Agrarminister Peter Hauk (CDU) seit April 2017 die vierköpfige Eingreiftruppe mit 186 000 Euro im Jahr, 36 000 Euro schießen die drei Brenner-Verbände Nordwürttemberg, Baden und Südwürttemberg-Hohenzollern zu. Denn Baden-Württemberg hat mit rund 18 883 aktiven Nebenerwerbsbrennern eine Tradition zu bewahren, die auf einem seit 1887 geltenden süddeutschen Sonderrecht fußt. Jürgen Friz und seine Kollegen sollen den Brennern mit Rat und Tat zur Seite stehen und ein gewisses „Knowhow“ (Hauk) bei Produktion und Vermarktung ihrer Qualitätsprodukte nahebringen.

Jürgen Friz kennt die Sorgen und Nöte der Kollegen aus eigener Erfahrung. 20 Jahre lang hat der Landwirtschaftsmeister nach der Hofaufgabe in der Autozulieferindustrie gearbeitet. Nebenbei hat er sich in Weinsberg zur staatlich geprüften Fachkraft Brennereiwesen und Brenner fortgebildet, dann den Brennmeister abgelegt und zuletzt eine Ausbildung zum Edelbrandsommelier draufgesetzt. Aus dem Hobbybrenner ist inzwischen ein Profi geworden: Der 57-Jährige betreibt heute eine mit Preisen bedachte Brennerei in seinem Heimatort Oppenweiler (Rems-Murr-Kreis) und experimentiert mit Leidenschaft, möglichst viele Aromen aus der jeweiligen Maische herauszukitzeln.

Zwei spezielle Destilliergeräte

Mit dem Job an der Weinbauschule macht Friz seine Leidenschaft zum Zweitberuf. Im Weinsberger Keller bildet er mit seinem Team Privatpersonen und Schüler der Brennerklassen der Fachschulen in Weinsberg und Offenburg an zwei Maschinen weiter – einer sogenannten Verschlussbrennerei und einer Abfindungsbrennerei. Die beiden Destilliergeräte funktionieren im Prinzip gleich: Die Maische aus Kern- oder Steinobst, Beeren oder Wurzeln, Getreide oder Kartoffeln, vergorenem Saft oder Wein wird zu Alkohol gebrannt. Grundgrundlegender Unterschied: Bei einer Verschlussbrennerei, wie das Profigerät heißt, gibt‘s keine Mengenbegrenzung. Die Maschine ist vom Zoll verplombt, abschließend wird nach gewonnenem Destillat abgerechnet.

Eine Abfindungsbrennerei funktioniert technisch wie das große Pendant, nur darf hier jährlich maximal 300 Liter reiner Alkohol gebrannt werden. Die Steuer bemisst sich nach der Menge der Maische, die vorab beim Zoll gemeldet wird. Dabei ist der Brennvorgang selbst eigentlich nicht die Hauptarbeit, sagt Jochen Friz: „Die Vermarktung kostet viel mehr Zeit.“ Ob im Hofladen, über den Lebensmitteleinzelhandel oder einen eigenen Webshop: Der Vertriebsweg sollte gut bedacht sein. Fragen wie diese treiben vor allem die erfahrenen Brenner um, auch solche zu Brennrecht, Betriebswirtschaft oder Umbauten.

Expertenteam berät auch Neueinsteiger

Das Kompetenzteam in Weinsberg spricht aber auch Neueinsteiger an. Friz, der viel auf Messen unterwegs ist, hat beispielsweise einen Köhler aus dem Schwarzwald beraten, der sein Streuobst verflüssigen und einen Physiotherapeuten aus Heidelberg, der selbst geerntetes Obst zu Hochprozentigem verwandeln will. Das Ende des Branntweinmonopols scheint also mehr Chance als Gefahr zu sein. Ein Kahlschlag bei den Brennern ist nicht zu verzeichnen. „So viel wie dieses Jahr wurde schon lange nicht mehr gebrannt“, bestätigt ein Sprecher vom Hauptzollamt Stuttgart. Das liege auch am außerordentlich ertragreichen Streuobstjahr 2018. Auf die Männer vom Kompetenzteam Brennerei in Weinsberg wartet in Sachen Vermarktungsberatung also viel Arbeit.