Der neue Treff soll ein sicherer Raum sein, in dem Jugendliche Unterstützung finden, sagte Pfarrer Klaus Käpplinger. Bildungsbürgermeisterin Isabel Fezer lobte den Rückhalt in der Bevölkerung für das Projekt. Foto: Susanne Müller-Baji

Dieser Tage wurde der erweiterte Pavillon der Mobilen Jugendarbeit seiner Bestimmung übergeben. Gegen Auswüchse wie in der Krawallnacht am 20. Juni 2020, als es am Eckensee zu Ausschreitungen kam, die eine Spur der Verwüstung durch die Innenstadt zogen, sei die Mobile Jugendarbeit allein aber keine Geheimwaffe, betont Bürgermeisterin Isabel Fezer.

Stuttgart-Weilimdorf - Das Weilimdorf-Wandbild drinnen ist geblieben, dafür muten die ergänzten Räumlichkeiten nun luftiger an: Der neu gestaltete Pavillon der Mobilen Jugendarbeit in der Deidesheimer Straße 94 spiegelt wider, was nach der langen Corona-Zwangspause dringend nötig ist: Aufbruchstimmung. Entsprechend wurde die Eröffnung am Samstag gebührend gefeiert.

Auf der Wiese vor dem „Treff“ gab es Bullenreiten, hinter dem Gebäude diverse Mitmachaktion und am Eingang konnte man sich überdies im neuen Gästebuch verewigen. Auch der Grünbereich hat nun Zuwachs erfahren: Dort scharren vier Hühner – vorerst noch eine Leihgabe des Korntaler Schulbauernhofs, bald aber permanent – und im Zuge der feierlichen Wiedereröffnung am Samstag wurde überdies ein vom Obsthof Hörnle gespendeter Apfelbaum gepflanzt. Ein Geschenk mit Signalwirkung: So wie der Baum soll auch die Jugendarbeit wachsen und Früchte tragen.

Ihren Ausgang nahm die Mobile Jugendarbeit 1970 in Stuttgart-Freiberg, wo sie damals bundesweit zum ersten Mal erprobt wurde: Streetworker sollten die Jugendlichen quasi da abholen, wo sie sich üblicherweise aufhalten und dann unterstützend begleiten. Das Modellprojekt wurde ein voller Erfolg und bald von weiteren deutschen Städten übernommen.

Rund 670 000 Euro haben Umbau und Erweiterung des Pavillons gekostet

Tatsächlich haben sich die Aufgaben aber weiterentwickelt. Zum klassischen Streetwork kommen nun auch Schulsozialarbeit, Mobile Kindersozialarbeit, dazu Einzelberatungen für Jugendliche und das Berufseinstiegsprogramm hinzu, erklärt Pfarrerin Dorothea Kik, die am Sonntag den Festgottesdienst gestaltete und auch dem Bauausschuss der evangelischen Kirchengemeinde vorsteht.

Insgesamt rund 670 000 Euro haben Umbau und Erweiterung des vorhandenen Pavillons gekostet, 68 000 davon trägt die Bonhoeffer-Gemeinde, der das Gebäude gehört. 30 000 steuert die katholische Kirchengemeinde St. Theresia bei, den Rest trägt die Stadt, der das Grundstück gehört. Die Personalverantwortung obliegt von Anfang an der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart (eva). All das ist eine ungewöhnliche Konstellation, die in Weilimdorf aber seit 33 Jahren funktioniert. Bildungsbürgermeisterin Isabel Fezer bemühte da nicht zu Unrecht das Bild des ganzen Dorfes, das man braucht, um ein Kind gut zu erziehen.

Auch Bezirksvorsteherin Ulrike Zich warb in ihren Grußworten um die breit angelegte Unterstützung für die Jugendlichen, die die Corona-Maßnahmen besonders hart getroffen haben. Pfarrer Klaus Käpplinger, Vorstandsvorsitzender der eva, pflichtet dem bei: Lockdown und Schulschließungen hätten in den besten Familien die Nerven blank liegen lassen. Was bisweilen zu schweren Konflikten und zu Übergriffen geführt habe. „Das bekommen wir aber erst jetzt mit und werden in Zukunft noch mehr davon sehen.“

Alkohol und Randalieren sind nicht nur Probleme von Jugendlichen

Entsprechend soll der neue Treff nun auch ein sicherer Raum sein, in dem Jugendliche Unterstützung bei ihren Problemen finden. Erfreut zeigte sich Fezer darüber, dass der Rückhalt in der Bevölkerung für das Projekt groß sei: Unter den Vorschlägen für den Bürgerhaushalt 2017 habe der Punkt „Mobile Jugendarbeit Weilimdorf – Pavillon renovieren und erweitern“ stadtweit immerhin Platz elf erreicht und stand im Stuttgarter Norden unangefochten auf Platz eins.

Gegen Auswüchse wie in der Krawallnacht am 20. Juni 2020, als es am Eckensee zu Ausschreitungen kam, die eine Spur der Verwüstung durch die Innenstadt zogen, sei die Mobile Jugendarbeit allein aber keine Geheimwaffe, so Fezer. Käpplinger erzählte, er sei damals selbst frühmorgens vor Ort gewesen, um sich ein Bild zu machen: „Das Problem ist die Magie der Großstadt, die Leute von überall her anlockt. Hier vor Ort kennen unsere Mitarbeiter ihre Leute, dort ist das unüberschaubar.“ Es werde sich zeigen, ob sich die Lage nach Ende der Corona-Maßnahmen normalisiere. Alkohol und Randalieren seien allerdings nicht nur Probleme von Jugendlichen, warnte er vor Verallgemeinerungen.