Bernd Heier ist nicht nur Friseur, sondern seine eigene Marke. Foto: Tom Bloch

Der Barbier und Frisör Bernd Heier öffnet sein Geschäft in Stuttgart-Weilimdorf einmal im Monat für Obdachlose und schneidet gratis.

Weilimdorf - Hip-Hop-Kappe auf dem Kopf, Rauschebart im Gesicht, einen Arm auffällig tätowiert, lockere Sprüche im Zehner-Pack – der Mann ist ein Typ. „Nie 0815, sondern immer 0711“ steht auf seinem Unterarm. Bernd Heier ist wahrlich nicht 0815. Wer sonst hätte mitten drin in der Höhle von bereits existierenden 14 Frisör-Salons, nämlich mitten hinein auf dem Löwen-Markt in Weilimdorf, einen weiteren, nun ja, Frisör-Salon aufgemacht. Allerdings ist Bernd Heier eben anders. Und auch sein Salon, der über eine kernige, erdige, stimmig eingerichtete Barbershop-Ecke verfügt. Bei Whiskey oder Bier, Wasser oder Kaffee – und für die Hände ein Nagelbad und gegen den Stress eine Kopfmassage – wird der Bart gestutzt und der Kopf frisiert. Und zwar so gut, das Bernd Heiers „Bos Barber“-Shop in diesem Jahr vom Männermagazin „Playboy“ zum besten Barbershop in Baden-Württemberg gekürt wurde. Seitdem rennen ihm die Kunden den Laden ein und TV-Teams geben sich die Klinke in die Hand.

Und doch hat Bernd Heier im August erstmals im Straßenmagazin „Trott-war“ eine Anzeige geschaltet: Immer am ersten Montag des Monats frisiert Heier Obdachlose gratis. „Das ist keine Aktion, das ist eine Lebenseinstellung“, sagt Heier. „Mir ist das für mich wichtig, denn wenn es anderen gut geht, geht es mir auch gut.“

Auch Heiers Leben verlief nicht immer geradlinig

Für seine üblichen Stammkunden ist ein höheres Preisniveau keine Problem. Klar, dass Heier auch hier ein Angebot hat: eine eigene exklusive Bartpflege-Serie zum Beispiel oder edle, maßgefertige Sneaker aus Straußenleder. Er besucht Edel-Messen, wo sich nur handverlesene Unternehmen präsentieren, um sein Portfolio zu erweitern. „Da gibt es Leute, die suchen sich dann ihr viertes Luxus-Feuerzeug aus in der Farbe ihren neuen Budapester an den Füßen“, Heier zuckt mit den Schultern. „Manche brauchen eben die Insignien des Reichtums. Andere sind glücklich, wenn sie zwei Euro bekommen, um sich etwas zum Essen zu kaufen. Aber alle Wesen mit einem Herzen in der Brust sind doch gleich.“

Und so hat der 53-Jährige, der ursprünglich aus dem Stuttgarter Westen stammt, nicht vergessen, dass es Menschen auch schlecht gehen kann. Vielleicht auch deswegen, weil sein Leben selbst auch nicht immer geradlinig lief. „Ich habe auch schon einmal im Tafelladen eine Tüte süße Stückle gekauft, die dann die ganze Woche reichen mussten als Essen“, sagt Heier und streicht sich durch den Vollbart. Der Service für die Obdachlosen ist gerade erst im Entstehen, spricht sich aber herum. Neun waren schon da und haben sich von Bernd Heier verwöhnen lassen. „Man gibt ein wenig Würde zurück und spürt die Dankbarkeit sofort“, sagt Heier. Und die Aktion, also Herzensangelegenheit, kommt auch beim Stammpublikum an. „Einer hat gleich auf Facebook gepostet: Deshalb komme ich so gerne zu ihnen.“ Andere lassen beim Bezahlen einfach ein bisschen mehr Geld da, mit den Worten: „Die müssen ja auch mit der Straßenbahn wieder heimkommen.“ Helfen kann ansteckend sein, hat Heier festgestellt und das will er fördern. „Es gibt doch so viele Menschen mit Empathie. Ansonsten hätten wir nicht zig Millionen in Baden-Württemberg, die ehrenamtlich arbeiten.“ Seine Augen funkeln und man sieht förmlich, wie ihm die Ideen durch den Kopf jagen.

Heier hofft, dass seine Aktion Nachahmer findet

Bei einem Preisausschreiben hat er mitgemacht, um einen goldenen Kleinbus zu gewinnen, den er im Winter als Kältebus durch die Stadt schicken will. Bernd Heier ist ein Typ. Und der Typ wird zur Marke. „I am a limited edition. Bernd Heier.“ Das steht in schwarzen Lettern auf einem silbermetallic glänzendem Sportbeutel, den man in seinem Salon kaufen kann. Das ist das eine.

Aber Heier hofft, dass seine Aktion nicht limitiert ist, sondern Nachahmer findet. „Vielleicht gibt das ja einen Impuls für Läden, die bislang noch nichts tun oder sich für ihren Ort und die Menschen, die dort leben, engagieren. Weil: Je mehr man gibt, desto zufriedener wird man.“