Luftbild der Messe Stuttgart – auf den Fildern werden viele Wohnungen über Airbnb vermietet. Messebesucher sind eine Zielgruppe. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Der Tourismus in Stuttgart boomt, und immer mehr Gäste entscheiden sich für eine Buchung über Airbnb. Zwei Vermieter erklären, warum und an wen sie vermieten.

Filder - Für die einen ist es eine günstige Übernachtungsgelegenheit, anderen ist es ein Dorn im Auge, weil sie befürchten, dass Wohnraum verloren geht: Airbnb. Privatleute stellen Privatleuten über das Portal ihre Zimmer oder Wohnungen zur Verfügung. Das Prinzip ist überaus beliebt. Laut einer Analyse der Stadtverwaltung hat sich der Markt in Stuttgart zwischen 2015 und 2017 verdoppelt.

Den Eindruck, dass die Airbnb-Vermieter dem Wohnungsmarkt etwas wegnehmen, teilt sie indes nicht. Die Verwaltung hat in ganz Stuttgart 867 Anbieter ausfindig gemacht, die 1080 Unterkünfte anbieten und spricht von einer „geringen Bedeutung“. „Bei dem Großteil der Objekte handelt es sich zudem um Kurzzeitvermietungen, die sonst vom Gastgeber selbst bewohnt werden, wodurch dem Markt kein Wohnraum entzogen wird“, heißt es.

Bei Anna Richter ist das so. Sie vermietet im Asemwald ihre Bleibe über Airbnb. Die 1,5-Zimmer-Wohnung hat sie sich vor einer Weile gekauft, ihre Drei-Zimmer-Mietwohnung, ebenfalls im Asemwald, wird sie voraussichtlich Ende des Jahres aufgeben und dann ins eigene, kleinere Appartement umziehen. Aus Kostengründen, wie sie sagt.

Schlagwörter wie Messe, Airport, Musical und Uni laufen gut

Anna Richter ist nicht ihr richtiger Name, aber sie will nicht, dass geredet wird. Seit gut und gerne 30 Jahren lebt sie im Asemwald, 65 ist sie, hat 45 Jahre gearbeitet, und jetzt, im Rentenalter, muss sie aufs Geld schauen. Den Umzug ins günstigere Domizil vollzieht sie Schritt für Schritt, „ein paar Nächte bin ich hier, ein paar Nächte unten“. Währenddessen sei Airbnb eine gute Zwischenlösung, denn „was will ich machen, wenn ich nur für ein paar Monate suche?“. 28 Euro nimmt sie pro Nacht. Ein Zubrot sei das, mehr nicht, „ich weiß nicht, wie die Leute darauf kommen, dass man damit viel verdient“, sagt sie.

2017 besuchten erstmals mehr als zwei Millionen Menschen Stuttgart, die Zahl der Übernachtungen stieg auf knapp 3,8 Millionen. Privat vermietete Betten machen laut Stadtverwaltung 13 Prozent des Beherbergungsgewerbes aus. Die größte Auswahl hat man in den Innen-Bezirken. Doch auch auf der Filderebene wird man fündig. Unter Degerloch werden 60 Unterkünfte geführt. Gibt man Vaihingen ein, erhält man 39 Treffer, bei Möhringen gleich 81, wobei oft die Bezirksgrenzen verschwimmen und die Fluktuation groß ist. Eines eint die Filder-Anbieter: Sie werben mit Schlagwörtern wie Messe, Airport, Musical, Uni. Anna Richter bestätigt: Sie beherbergt vor allem Messebesucher und Geschäftsleute, zudem Studenten, die nach Hohenheim müssen.

Viele Gäste von der Uni Hohenheim

In Sillenbuch und drumherum gibt es 19 Objekte. Darunter das der Eheleute Renger. Sie bieten seit dem vergangenen Jahr das Dachgeschoss ihres Reihenhäuschens in Heumaden an. Um die 50 Mal seien die zwei Zimmer plus Bad und Küche für 59 Euro bereits gebucht worden. Ursprünglich hatte hier die Schwiegermutter gewohnt, erzählt Philipp Renger (32), seit einer Sanierung sind es vornehmlich junge Leute, die an der Uni Hohenheim Gastkurse belegen, aber auch internationale Touristen oder Leute, die in der Nachbarschaft jemanden besuchen. „Wir haben immer wieder privat Gäste bei uns zu Hause, deswegen haben wir gesagt, wir probieren das mal aus“, sagt er.

Rund 340 Wohnungen in Stuttgart sind laut Stadtverwaltung reine Ferienwohnungen. Das ist nicht ohne Weiteres erlaubt, denn seit Anfang 2016 gilt das Zweckentfremdungsverbot. Ob und wie viele Wohnungen für Airbnb zweckentfremdet werden, ist unklar. Die Verwaltung hätte gern genauere Infos, das Portal gibt die Daten aber nicht preis, und im Wirtschaftsministerium ist man nicht gewillt, den Zugriff zu erleichtern. Leuten wie den Rengers will man indes nichts Böses. Deren Vermietung sei unproblematisch, unter anderem, weil es keinen separaten Eingang gebe und Mieter und Vermieter quasi zusammenlebten, erklärt Martin Thronberens, ein Rathaus-Sprecher.

Dass fremde Leute durchs eigene Haus und vorbei an privaten Fotos und Möbeln huschen, stört die Rengers nicht. „Wir hatten nie Ärger oder ein ungutes Gefühl“, sagt Philipp Renger. Im Gegenteil: „Mit manchen erzählt man sich auch etwas, es gibt eine persönliche Ebene.“ Mit den ersten Gästen, einem Streetdancer-Brüderpaar aus der Ukraine, verbindet die Heumadener bis heute eine Freundschaft. Außerdem betont Philipp Renger: Vom Portal löschen könne er die Wohnung jederzeit. Spätestens dann, wenn die Kinder groß sind und selbst unterm Dach wohnen wollen.