Links im Jahre 1955, rechts 2015: Zwischen den beiden Luftaufnahmen von Zuffenhausen liegen 60 Jahre. Foto: Stadtmessungsamt Stuttgart

In diesem Teil unserer Serie „Stuttgart von oben“ widmen wir uns dem Ortskern von Stuttgart-Zuffenhausen.

Zuffenhausen - Ein altes Luftbild und ein paar historische Fotoansichten von Zuffenhausen genügen, und schon erwachen Erinnerungen: „Da sieht man noch die alte Kelter. Mensch, da haben wir gefeiert bis in die Puppen“, sagt Heimathistoriker Winfried Schweikart. Im Jahr 2000 wurde die Kelter abgerissen und an ihrer Stelle später das Ärztehaus gebaut, 2007 wurde es eröffnet.

Plötzlich wird die Vergangenheit wieder zur Gegenwart. Auch das alte Waaghäuschen beim Ärztehaus hat eine lange Tradition. Früher befand sich an der Längsseite des Gebäudes die „städtische Bodenwaage“. Darauf wurden Vieh, Getreide, Kartoffeln, Rüben und vieles andere gewogen. Im Erdgeschoss befanden sich die Betriebsräume des Waag- und Eichmeisters. Schweikart erinnert sich, dass er dort als junger Gipserlehrling selbst seinen Meterstab aus Metall eichen lassen musste.

Auf der Waage an der Hohenloher Straße machten in den 1950er Jahren auch Fuhrwerke mit Zuckerrüben auf dem Weg zur Zuckerfabrik nach Münster halt, um sich den obligatorischen Wiegeschein zu besorgen. Noch in den 1980er Jahren war die Waage im Einsatz. Erst um das Jahr 1990 wurde sie stillgelegt.

Stillgelegt scheint auch manchmal der Verkehr rings um den Kelterplatz. Seit der Platz und die Kreuzung an der Ecke Ludwigsburger/Unterländer Straße umgestaltet worden sind, müssen sich Autofahrer mehr und mehr gedulden. Aber man kann ja die Strambe nehmen. In den 1955ern drehte die Straßenbahn noch eine Ehrenrunde am Kelterplatz, viele Jahre fuhr sie oberirdisch durch die Unterländer Straße bis nach Stammheim. 2008 wurde mit dem Bau begonnen, seit Ende Dezember 2011 fährt die Stadtbahnlinie durch den Tunnel bis in die Stammheimer Straße.

Unterirdisch, zumindest teilweise, floss auch der Feuerbach unter dem Kelterplatz durch, eher er in den Talwiesen wieder das Licht der Welt erblickte. „In den 50er Jahren galt der Bereich um den Platz in den Talwiesen als Hochwassergefahrgebiet“, sagt Schweikart. „Es galt dort lange Zeit eine Sperre für Bauprojekte in diesem Bereich.“ Nicht selten standen die Straßen im Alten Flecken unter Wasser.

Einige Meter über dem Erdboden führt der 119 Meter lange La-Ferté-Steg, die Fußgänger und Radler vom Wohngebiet über die Haldenrainstraße zum Festplatz. Das filigrane Bauwerk aus Stahlbeton wurde 2001 fertig gestellt und wurde 2006 sogar mit dem Deutschen Brückenbaupreis ausgezeichnet.

Zu den markanten Gebäuden, die sich in den vergangenen 60 Jahren nicht verändert haben, zählen das Bezirksrathaus (Einweihung 1951) und die Pauluskirche, die 1903 erbaut wurde. Die Kirche war bei einem Luftangriff während des Zweiten Weltkrieges am 10. September 1944 ausgebrannt. Im Jahre 1953 wurde sie wieder eingeweiht – zwei Jahre vor dem Rundflug des Cessnapiloten, der die historischen Luftbilder von Zuffenhausen geliefert hat.