Mit wenig Geld können die Bezirksbeiräte dank ihres Budgets viel Gutes bewirken. Foto: dpa

Im April 2018 wurde das Bezirksbudget eingeführt. Die Lokalpolitiker in den Stadtbezirken können selbst bestimmen, wofür sie Geld ausgeben. Das System hat sich bewährt.

Untertürkheim - Seit April vergangenen Jahres haben Stuttgarts Bezirksbeiräte ein wenig mehr Gestaltungsfreiheit: Ihr bisheriges Verfügungsbudget in Höhe von 305 000 Euro für alle 23 Stadtbezirke wurde auf 1,31 Millionen Euro aufgestockt. Der Etat einzelner Stadtbezirke sei um das Drei- bis Vierfache erhöht worden, und dass nicht nur einmalig, sondern jährlich, erklärt Verwaltungsbürgermeister Fabian Mayer. Damit hätten die Beiräte erstmals die Möglichkeit erhalten, kleinere Projekte zu fördern. Den sich bietenden Spielraum hätten die Lokalpolitiker auch intensiv genutzt, stellt Mayer fest. „ Die bisherigen Rückmeldungen aus den Stadtbezirken zeigen, dass von den Förderungsmöglichkeiten rege Gebrauch gemacht wurde und dass die Budgetmittel sinnvoll und vielfältig verwendet wurden.“ Schwierigkeiten habe es nicht gegeben. „ Nach dem ersten Jahr kann ich eine durchweg positive Bilanz ziehen.“

1,76 Euro pro Kopf

Die jeweilige Höhe des neuen Bezirksbudgets hängt von der Einwohnerzahl des Stadtbezirks ab. Jeder Stadtbezirk hat einen Sockelbetrag von 10 000 Euro erhalten und darüber hinaus rund 1,76 Euro „pro Kopf“. So standen 2018 dem Untertürkheimer Bezirksbeirat rund 39 800 Euro (für 16 720 Einwohner) zur Verfügung, den Wangenern rund 26 300 Euro (für 9249 Einwohner), den Obertürkheimern 25 400 Euro (für 8738 Einwohner), den Hedelfingern 28 000 Euro (für 10 286 Einwohner), den Münsterern fast 22 000 Euro (für 6776 Einwohner), den Mühlhäusern rund 55 000 Euro (für 25 580 Einwohner) und den Cannstattern gar 135 000 Euro (für 71 358 Einwohner). Über die Verwendung des Geldes kann jedes Gremium selbst bestimmen, gefördert werden sollen laut den Vergaberichtlinien kulturelle Veranstaltungen im Stadtbezirk, Aktivitäten von Vereinen und Institutionen, Projekte aus der Bürger-, Kinder- und Jugendbeteiligung sowie kleinere bauliche Maßnahmen und Verschönerungen.

50 Euro für die Naturfreunde

Das Budget sei voll ausgeschöpft worden, heißt es im Bezirksrathaus Untertürkheim. Über 14 Zuschussanträge wurden in den vergangenen knapp neun Monaten beraten – und alle seien bewilligt worden. Das Geld sei den Untertürkheimer Bürgern auf vielfältige Weise zugutegekommen. Die größte Summe, 10 000 Euro, hat der Bezirksbeirat für die Anschaffung eines Spielgerätes zur Verfügung gestellt. Dass auch kleine Beträge helfen könnten, zeigen die 50 Euro, mit denen eine Vortragsveranstaltung der Naturfreunde bezuschusst wurde. Gefördert wurden unter anderem auch das Geschichtenfest (900 Euro) und der Stromanschluss auf dem Karl-Benz-Platz (2218,46 Euro).

Zuschuss für Kauf von Mundharmonikas

In Obertürkheim habe der Bezirksbeirat allen 17 Anträgen entsprochen, „in der sogar Regel einstimmig“, berichtet Bezirksvorsteher Peter Beier. Unterstützt wurden mit jeweils 10 000 Euro das Gläserne Büro des Willkommensraums in der Andreaskirche und die Erneuerung des Unterstandes auf dem Kapf. „Der kleinste Betrag waren 46 Euro für ein Banner der Aktion 0711 für Menschenrechte.“ Zuschüsse gab es zum Beispiel auch für den Kauf von Mundharmonikas und Notenheften für die beiden Grundschulen, das Zeltlager der Pfadfinder (jeweils etwa 400 Euro) und eine Baumbank im Garten der Seniorenwohnanlage Haus am Weinberg (rund 300 Euro). Das Bezirksbudget sei allerdings nicht ganz ausgereizt worden, räumt Beier ein. Der Restbetrag, einige tausend Euro, solle nun in diesem Jahr mit verbraucht werden. Die Bürger seien aufgefordert, ihre Wünsche und Anregungen zu artikulieren.

Bezirksbudget hat sich bewährt

Ganz im Sinne des Erfinders sei das Weiterreichen von Geld allerdings nicht, räumt Kai Freier, der Bezirksvorsteher von Hedelfingen, ein, wo auch noch etwas Geld übrig geblieben ist. Übertragen werden können laut Vorgabe bis zu 20 Prozent der jährlichen Mittel. Gleichwohl findet Freier nur lobende Worte für das Bezirksbudget: „Es hat sich bewährt.“ 23 Einzelvorhaben wurden im vergangenen Jahr aus dem Bezirksbudget gefördert. Die höchste Summe mit jeweils 10 000 Euro gingen an den Förderverein Alte Schule Rohracker für eine dringend notwendige Dachreparatur am Gebäude und an die evangelische Kirchengemeinde für die Sanierung der Orgel in der Kreuzkirche. Aus vielen Bereichen seien Förderanträge eingegangen. Bewilligt wurden unter anderem 2500 Euro für die Aufstellung von Weihnachtsbäumen in Hedelfingen und Rohracker ebenso wie 170 Euro für die lokale Stolpersteininitiative. „Wir sind froh und dankbar, dass es dieses Budget gibt“, sagt Freier. „Wir können damit viele kleine Sachen unterstützen, die es nicht in den Gemeinderat schaffen würden.“

Neuer Schafstall

Etwas zurückhaltender mit den Ausgaben war der Bezirksbeirat Wangen. Nach Mitteilung von Bezirksvorsteherin Beate Dietrich wurden im vergangenen Jahr „nur“ 17 860 Euro ausgegeben. Sie räumt jedoch ein: „Es laufen aktuell zwei Anfragen hinsichtlich Kosten und Machbarkeit. Die Beschlüsse sind gefasst, aber die Antworten noch nicht da.“ Die Bezirksbeiräte würden sich viele Gedanken machen, wie das Geld sinnvoll für den Stadtbezirk ausgegeben werden soll, lobt Dietrich. Neun Zuschussanträge haben die Lokalpolitiker bewilligt, zum Beispiel für das Internationale Fest, den Ehrenamtsempfang und für einen neuen Schafstall auf dem Aktivspielplatz Krempoli. Ein Antrag allerdings sei abgelehnt worden. Mit 6545 Euro wurde der höchste Zuschuss für die Machbarkeitsstudie „Bürgertreff Lamm“ gewährt, der kleinste Förderbetrag mit 300 Euro kam der Weihnachtsfeier der Mitarbeiter und ehrenamtlichen Helfer der „Schwäbischen Tafel“ zugute. Aus Dietrichs Sicht ist das Bezirksbudget sinnvoll: „Für das bürgerschaftliche Engagement ist es eine Chance und eine Stärkung.“

Mayer vom Konzept angetan

Die Stadtbezirke werden in diesem Jahr in etwa wieder gleich viel Geld erhalten. „Das gibt uns und den Vereinen Planungssicherheit“, freuen sich die Bezirksvorsteher unisono – über die ersten Zuschussanträge für 2019 wurde in den Gremien bereits diskutiert. Die Lokalpolitiker plädieren dafür, das Bezirksbudget dauerhaft zu etablieren. „Darüber, ob die neuen Förderrichtlinien bestehen bleiben, entscheidet letztlich der Gemeinderat“, betont der Verwaltungsbürgermeister. Im Jahr 2020 sei eine Bestandsaufnahme geplant – immerhin wurden eigens für die Koordination zwei Stellen im Rathaus geschaffen. Mayer scheint vom Konzept angetan zu sein: „Zusammenfassend kann man feststellen, dass die Sachmittelerhöhung und der Personalzuwachs zu einer deutlichen Stärkung und Aufwertung der Stadtbezirke und Bezirksbeiräte geführt und damit ein Mehr an Autonomie und Selbstständigkeit der Stadtbezirke geschaffen hat.“