Schauplatz des tödlichen Unfalls in Zuffenhausen. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Zwei tragische Fälle in Fellbach und Stuttgart bewegen viele Bürger. Sie rücken ins Bewusstsein, dass wir im Leben vom Tod umfangen sind, und zeigen nach Meinung von Lokalchef Jan Sellner, wie wichtig es ist, aufmerksam zu sein.

Stuttgart - Viel passiert in den vergangenen Tagen! Auch jenseits der Kommunalpolitik, über die Stuttgarts Alt-OB Manfred Rommel einmal sagte, wenn er noch mal von vorne anfangen könnte, würde er sich nicht mehr „über jeden Dreck so aufregen“. Die wirklich aufwühlenden Geschichten spielen woanders. Draußen, auf der Straße. Im wirklichen Leben, das sich – was häufig ausgeblendet wird – stets nah am Tod bewegt. Eine lebenslange Gratwanderung. Selbst dann, wenn man sich sicher fühlt. Zwei schicksalhafte Ereignisse aus dieser Woche beleuchten die Zerbrechlichkeit des Daseins. Beide waren Gegenstand intensiver Berichterstattung. Viele Gespräche kreisen darum. Sie gehen einem nach wie ein böser Traum. Über den Tag und die Woche hinaus.

Im einen Fall handelt es sich um eine 39-jährigen Schwimmerin, die am vergangenen Sonntag im Familien- und Freizeitbad F3 in Fellbach unter ungeklärten Umständen ums Leben gekommen ist. Spekulationen über einen Beckenspringer, der ihren Tod verursacht haben könnte und dem Fall eine zusätzliche Dramatik verliehen hatten, erscheinen nach der Obduktion haltlos. Der Fall ist gleichwohl bedrückend – zumal der Ehemann schwere Vorwürfe gegen das Badepersonal erhebt. Die Polizei geht ihnen nach. Schon jetzt zeigt der Vorfall, welche Verantwortung auf Schwimmmeistern liegt.

Der Wunsch, die Zeit zurück zu drehen

Der andere bewegende Fall ist der Unfalltod eines vierjährigen Jungen am vergangenen Dienstag – das vierte Kind, das binnen eines Jahres im Straßenverkehr in Stuttgart starb. Der Bub wurde von einem rückwärts fahrenden Auto erfasst. Er befand sich im toten Winkel des Fahrers. Die Eltern sind verzweifelt, der Verursacher ist geschockt und gezeichnet. Und der Außenstehende fragt sich, wie grausam das Schicksal zuschlagen kann: Eine Mutter ist gemeinsam mit ihrem Kind in der Stadt unterwegs und verliert es. Unwiederbringlich. Und so sehr man sich wünschte, die Zeit um einige Sekunden zurückdrehen zu können und das Kind in Sicherheit zu bringen – die Katastrophe lässt sich nicht ungeschehen machen.

Auch wenn Ähnliches täglich an vielen Orten der Welt passiert – es ist die räumliche Nähe, die einen erschrecken und in besonderem Maße mitfühlen lässt. Das Spaßbad in Fellbach liegt um die Ecke. Erst recht die Schwieberdinger Straße in Zuffenhausen, Schauplatz des Unfalls mit dem kleinen Buben. Zudem spielten sich beide Unfälle – anders als viele stille Tragödien – in der Öffentlichkeit ab.

Jeder Einzelne ist gefordert

Die Betroffenen werden mit dem Verlust leben müssen; ihnen ist zu wünschen, dass sie Unterstützung erfahren. Uns Unbeteiligten führen die Fälle vor Augen, wie wichtig Aufmerksamkeit ist: Jeder Einzelne kann von einem Moment auf den anderen als Zeuge oder Helfer gefordert sein – am Arbeitsplatz, im Straßenverkehr oder in der Freizeit. Das wird Unglücksfälle nicht verhindern können, vielleicht aber dazu beitragen, manches Mal die Folgen zu lindern. Der Gedanke drängt sich auf: Eigentlich müssten wir alle gut ausgebildete Ersthelfer sein.

jan.sellner@stnz.de