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Ärger um Gerichtsbeschluss - Polizei nicht vorgewarnt: "Sehr unglücklich gelaufen".

Karlsruhe/Stuttgart - Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat überraschend die sofortige Freilassung von zwei gefährlichen Sextätern angeordnet - in einem Fall ohne interne Vorwarnung. Hintergrund ist ein Urteil des EU- Gerichtshofs für Menschenrechte, wonach die Sicherungsverwahrung nicht rückwirkend verlängert werden darf.

Seit April sollen in Baden-Württemberg entlassene Sextäter, die noch als gefährlich gelten, von Polizei und Justiz im Auge behalten werden. "Kurs" nennt sich das Projekt, das auch davon lebt, dass die zuständigen Beamten im Landeskriminalamt (LKA) rechtzeitig von einer anstehenden Freilassung erfahren.

Gestern gab es die erste Panne: Das Oberlandesgericht Karlsruhe ordnete die Freilassung von zwei Straftätern aus Gefängnissen in Freiburg und Stuttgart an. Beide saßen wegen Vergewaltigung in Sicherungsverwahrung. Das Urteil überraschte selbst Insider: Zum einen halten die Karlsruher Richter - im Unterschied zum OLG Stuttgart und dem Bundesverfassungsgericht - das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg zur Sicherungsverwahrung für verbindlich. Zum anderen gab es im Fall des Mannes, der in Stuttgart freikam, offenbar keine interne Vorwarnung. "Das ist sehr unglücklich gelaufen", heißt es in informierten Kreisen. Ein LKA-Sprecher musste am Donnerstag einräumen, dass der Mann nicht im Rahmen von "Kurs" erfasst worden ist. "Es ist aber zu erwarten, dass er in das Programm aufgenommen wird."

Der zweite Straftäter, dessen anstehende Entlassung intern bekannt war, geht nach seinen Worten in eine Therapieeinrichtung außerhalb Baden-Württembergs. Ein OLG-Sprecher verteidigte das Vorgehen des Gerichts: "Es gibt ein Beratungsgeheimnis bei den Gerichten", sagte er. Aufgrund des Straßburger Urteils hoffen noch 15 weitere Häftlinge im Land auf ihre Entlassung.

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