Erst nach Abschluss eines Mietvertrags kann gegen eine überhöhte Miete vorgegangen werden. Foto: IMAGO/U. J. Alexander/IMAGO

Die Mietervereine drängen schon lange darauf, trotz hoher rechtlicher Hürden überzogene Mietforderungen zu verfolgen. Der Dienstleister Mietenmonitor soll helfen.

In Stuttgart und in Esslingen, wo Wohnungen rar und teuer sind, kontrollieren die Stadtverwaltungen nun die Miethöhen, die in Onlineportalen aufgerufen werden, auf ihre rechtliche Zulässigkeit. Die Landeshauptstadt hat mit einem eigenen Mitarbeiter Ende vergangenen Jahres begonnen, will nun aber wie auch die Nachbarstadt auf die für solche Inspektionen spezialisierte Firma Mietenmonitor zurückgreifen. Zwar lässt sich ein überhöhtes Angebot oder gar Mietwucher nur schwer nachweisen, weil dies nur auf Basis von Mietverträgen möglich ist. Entscheidend, so die Mietervereine der beiden Städte, sei aber ohnehin die abschreckende Wirkung.

Wie ist die Rechtslage?

In Stuttgart und Esslingen gilt die Mietpreisbremse, weil dort der Wohnungsmarkt als angespannt gilt. Bei Neuvermietungen darf in aller Regel (Neubauten sind ausgenommen oder wenn der Vormieter schon eine überhöhte Miete bezahlte) nur ein Betrag von bis zu zehn Prozent über der Mietspiegelmiete verlangt werden. Bei mehr als 20 Prozent liegt eine Mietpreisüberhöhung vor, die laut § 5 Wirtschaftsstrafgesetz mit bis zu 50 000 Euro Geldbuße geahndet wird. Der Mehrerlös kann vom Vermieter zurückverlangt werden. Bei Wucher (mehr als 50 Prozent über der Vergleichsmiete) kann nach § 291 Strafgesetzbuch eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren, in besonders schweren Fällen von bis zu zehn Jahren verhängt werden. Diese Regelungen beziehen sich allerdings auf bestehende Mietverhältnisse, bei den online offerierten Mieten handelt es sich allerdings nur um Angebote, die strafrechtlich nicht verfolgt werden können. Und selbst wenn es auf Basis eines überhöhten Angebots zu einem Mietvertrag kommt, erfährt die Stadt meist nicht den Namen der Vermieter. Außerdem muss dem Vermieter nachgewiesen werden, dass sich die Gegenseite in einer Notsituation befunden hat und diese schamlos ausgenutzt worden sei. Weil das in der Praxis – wegen eines höchstrichterlichen Urteils – nicht möglich ist, gibt es im Bundesrat eine Gesetzesinitiative, um das zu ändern. Dagegen sperrt sich aber Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP).

Wie ist die Marktlage?

Das Statistische Bundesamt hat festgestellt, dass 16 Prozent der Gering- und Durchschnittsverdiener mehr als 40 Prozent ihres Haushaltseinkommens für die Nettokaltmiete aufwenden. Unberücksichtigt blieb dabei, dass die Betriebskosten mittlerweile teils auf vier Euro pro Quadratmeter gestiegen sind. In Stuttgart liegt die durchschnittliche Mietspiegelmiete bei 11,04 Euro pro qm – das sind 36 Prozent mehr als im Bundesdurchschnitt. Für den Vorsitzenden des Stuttgarter Mietervereins und des Deutschen Mieterbunds Baden-Württemberg, Rolf Gaßmann, ist „in Stuttgart das Wohnen zur Miete auch für viele Durchschnittsverdiener inzwischen zum Armutsrisiko geworden“. Eine Auswertung des Vereins der 35 zuerst angebotenen Wohnungen eines großen Online-Portals habe Quadratmeter-Mieten von bis zu 26 Euro ergeben. Im Durchschnitt seien es 18 Euro, obwohl in Stuttgart der Wucher bei 16,56 Euro beginne. Eine Analyse in Esslingen habe ergeben, so der dortige Vorsitzende Udo Casper, dass fast ein Viertel der Angebote im Überhöhungsbereich von 20 Prozent gelegen habe. Zu hohe Neuvertragsmieten treffen nicht nur den Einzelnen. Sie gehen in die Mietspiegel ein und treiben damit die Bestandsmieten in die Höhe.

Was will man dagegen tun?

Die Mietervereine hatten beharrlich die Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) und Matthias Klopfer (SPD) aufgefordert, etwas gegen die überhöhten Online-Angebote zu übernehmen, auch wenn dort nur die Hälfte der freien Mietwohnungen angeboten werden. Man verwies auf Freiburg im Breisgau, wo die Stadt seit Anfang 2022 die Sünder ermitteln lässt und mit Briefen eine Mietsenkung fordert. Dafür kooperiert sie mit der Firma Mietenmonitor, der anhand öffentlicher Daten die überhöhten Mieten herausfiltert. Gelingt dies nicht, wird ein Verfahren eingeleitet. Oft sind die Angeschriebenen überrascht, dass sie sich gesetzwidrig verhalten und reduzieren die Miete. Für Hauke Quathamer von der Stadt Freiburg ist deshalb weniger das Verhältnis zwischen ermittelten Verdachtsfällen und Rückmeldungen von Vermietern (etwa 10:1) entscheidend, sondern, dass auf dem Wohnungsmarkt mittlerweile bekannt geworden ist, dass man bei überzogenen Forderungen in den Fokus der Stadt gerät. Nun will auch Esslingen ab Juli auf das Knowhow der Firma Mietenmonitor zurückgreifen.

Und was passiert in Stuttgart?

Auch dort werden nun Gespräche mit dem Dienstleister geführt. Die Verwaltung möchte eine Szenario-Analyse haben, um einen „geschärften Blick auf den Stuttgarter Mietmarkt zu erhalten“. Außerdem will man sehen, ob man die externe Hilfe braucht oder das mit eigenem Personal stemmen kann und wie viele Online-Portale man durch eine spezielle Software mehr überprüfen kann. Bisher erledigt das mit der Hand am Arm ein Mitarbeiter, der sich aber auch noch um viele andere Dinge kümmern muss. In den ersten beiden Monaten in diesem Jahr prüfte er 172 Onlineinserate. In 88 Fällen sah er einen Anfangsverdacht auf Mietpreisüberhöhung. Von 46 angeschriebenen Vermietern haben sich immerhin 36 zurückgemeldet. In sieben Fällen konnte die Miete abgesenkt werden, davon drei nur wegen des Anschreibens. In zehn Fällen war die Miete korrekt, und fehlende Angaben zur Ausstattung hatten den Verdacht genährt.

Bringt das etwas?

Das Beispiel Freiburg zeigt, dass dank Mietenmonitor mehr Verdachtsfälle ermittelt und mehr Vermieter angeschrieben werden können. Abzuwarten bleibt laut OB Nopper in einer Antwort auf einen Antrag der SPD-Gemeinderatsfraktion, ob man erfolgreicher sei als mit dem „hauseigenen Mietencheck“. Einen signifikanten Einfluss auf die Höhe der Angebotsmieten – also in Form einer Dämpfung - wird nicht erwartet. Wie die Mietervereine sieht die Rathausspitze die Anschreiben in erster Linie als „Signalwirkung und präventive Vorgehensweise, die das Bewusstsein der Vermieter bezüglich der hohen Angebotsmieten schärfen soll“. Rolf Gaßmann verweist darauf, dass Städte Vermieter belangen könnten, wenn es auch einen Mieter gibt, der von Mietpreisüberhöhung oder Mietwucher betroffen ist. Er erwartet deshalb, „dass die Verwaltungen den Mietern Anlaufstellen nennen, wo Fälle von Mietpreisüberhöhung angezeigt können“. Wenn die Stadt aufgrund solcher Anzeigen Vermieter zur Mietsenkung auffordert, müssten diese mit einem gerichtlichen Verfahren rechnen.