Stuttgart und die Region gehören zu den teuersten Wohngegenden Deutschlands. Foto: dpa

Nicht nur in Stuttgart, sondern ganz Baden-Württemberg sind Mieten teuer, Bauland knapp und bezahlbarer Wohnraum selten. Warum tut sich die Politik bei dem Thema so schwer? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Stuttgart - Die Suche nach bezahlbaren Wohnungen ist mittlerweile für viele Menschen in Baden-Württemberg zu einem großen Problem geworden - nicht nur in Stuttgart. Besonders dramatisch ist die Entwicklung bei den Sozialwohnungen. Lange hatte das Thema in der Politik nicht die höchste Priorität. Mit dem Flüchtlingszuzug und dem Aufkommen von Rechtspopulisten ändert sich das langsam.

Wie viele Wohnungen fehlen?

Laut der Studie der Prognos AG im Auftrag des Landes von Herbst 2017 entstanden in den Jahren 2011 bis 2015 im Südwesten rund 88 000 Wohnungen weniger, als gebraucht worden wären. „Zu den 88 000 Wohnungen müssen bis zum Jahr 2020 jährlich 54 000 gebaut werden“, teilte das Wirtschaftsministerium mit. Die Lücke tut sich vor allem auch in Stuttgart und den angrenzenden Landkreisen auf. Tatsächlich wurden aber beispielsweise 2017 nach Angaben des Statistischen Landesamtes landesweit nur rund 38 000 neue Wohnungen fertiggestellt.

Was sind die Gründe?

Baden-Württemberg verzeichnete auch wegen der guten wirtschaftlichen Entwicklung ein Bevölkerungswachstum, das über dem Bundestrend lag. Vor allem die Städte Pforzheim, Freiburg, Stuttgart, Karlsruhe, Heidelberg und Heilbronn legten an Einwohnern zu. Zudem gibt es einen Trend hin zu kleineren und somit mehr Haushalten. Es wird auch vermutet, dass Politiker das Thema deshalb lange vernachlässigten, weil sie selbst vom Wohnungsmangel weniger betroffen sind, oder weil sie das Ideal im Ein- und Zweifamilienhaus auf dem Land sehen.

Wie hoch sind die Mieten im Vergleich?

Nach Angaben des Deutschen Mieterbundes, der sich auf eine Untersuchung des Forschungsinstituts F+B bezieht, liegen die Mieten in vielen Städten im Südwesten über dem Bundesdurchschnitt. Sechs baden-württembergische Städte zählten 2017 zu den zehn Städten Deutschlands mit den höchsten Mieten bei bestehenden Wohnungen: Stuttgart, Leinfelden-Echterdingen, Tübingen, Ditzingen, Ludwigsburg und Fellbach. Bei den Neuvermietungen sieht es ähnlich aus.

Wie steht es um Sozialwohnungen?

Ende 2017 gab es nach Angaben des Wirtschaftsministeriums 54 000 Sozialwohnungen in Südwesten. Der jährliche Bedarf wird auf zusätzlich 1500 bis 6000 Wohnungen geschätzt. In der Prognos-Studie heißt es: „Im Vergleich zu anderen Flächenländern in Westdeutschland sowie im Bundesschnitt weist Baden-Württemberg sowohl absolut betrachtet als auch bezogen auf die Einwohner einen deutlich unterdurchschnittlichen Bestand an sozialen Mietwohnungen auf.“ Und es kommt noch schlimmer: Bis 2030 könnte die Zahl der preisgebundenen Mietwohnungen auf 39 000 sinken. Mit dem Neubau kommt man kaum hinterher. Nach Angaben des Deutschen Mieterbundes wurden 2016 im Südwesten nur etwas mehr als 1000 neue Sozialwohnungen gefördert.

Warum wird so wenig gebaut?

Die Preise für Bauland liegen deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Als besonders teuer gilt Bauland in Stuttgart, Heidelberg und Freiburg. Sigrid Feßler vom Verband baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen (VBW) verweist darauf, dass die Baukosten insgesamt vom Jahr 2000 bis zum 2. Quartal 2017 um rund 49 Prozent gestiegen sind. Als Gründe nennt sie allgemeine Preissteigerungen und neue gesetzliche Anforderungen an Neubauten, wie etwa Energiestandards. Sie wünscht sich weniger Bürokratie und weniger Reglement. Zudem fehle Bauland. Hier seien die Kommunen gefragt, mehr Flächen in Außenbereichen auszuweisen - nicht nur für Ein- und Zweifamilienhäuser, sondern auch für mehrstöckige Wohnbauten.

Wie reagiert die Politik?

Die Regierung weitete die Wohnraumförderung aus. Von 2017 bis 2019 liegt das Bewilligungsvolumen jährlich bei rund 250 Millionen Euro. Profitieren können Wohnungsunternehmen, Gemeinden, Genossenschaften, aber auch Private. Zudem soll das Bauen generell günstiger gemacht werden, etwa mit der Entrümpelung des Bauordnungsrechts.

Grüne und CDU streiten darüber, wie etwa die Landesbauordnung und somit die Vorschriften für Neubauten aussehen sollen. Die Grünen wollen sich nicht von Ökostandards wie etwa einer Begrünungspflicht und Fahrradstellplätzen trennen, weil sie darin - im Gegensatz zur CDU - keine wesentlichen Preistreiber beim Bau sehen. Grün-Schwarz rief im Jahr 2016 die Wohnaum-Allianz ins Leben, um die Wohnungsprobleme mit „geballtem Sachverstand“ anzugehen. Empfehlungen liegen zwar auf dem Tisch. VBW-Verbandsdirektorin Feßler stellt allerdings fest: „Die Umsetzungsprozesse in der Politik laufen viel zu schleppend.“