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Werbeprofi hebt auf Führungserfahrung ab - CDU-Chef Kaufmann muss Ambitionen von Eisenmann erfragen.

Stuttgart - Der parteilose Werbeprofi Sebastian Turner will mit Unterstützung der CDU den OB-Sessel erobern. Am Montag stellte sich der 45-Jährige der Presse vor und hob vor allem auf seine Führungserfahrung als früherer Chef einer großen Werbeagentur ab. Verwaltungspraxis, so die Botschaft, sei nicht so wichtig.

Am Freitag war Turners Interesse vom CDU-Kreisvorsitzenden Stefan Kaufmann bestätigt worden, noch ehe die parteiinterne Findungskommission oder gar die christdemokratische Basis den Namen des Wahlberliners überhaupt gehört hatten. Am Wochenende rumorte es daraufhin in der Partei, die bei der Nominierung am 17. März eine echte Auswahl erwartet.

Der Lapsus lastet seitdem auf Kaufmann. Entsprechend vorsichtig agierten Vorsitzender und Kandidat in spe am Montag beim Termin im Café Künstlerbund. Fotoaufnahmen "vor der etwaigen Nominierung durch die CDU Stuttgart" wolle Turner nicht, ließ Kaufmann wissen. Man könne aber auf aktuelle Berliner Bilder zurückgreifen. Der Hinweis stiftet Verwirrung - schließlich lässt sich Turner kurz darauf von einer Nachrichtenagentur am Schlossplatz ablichten.

Wo andere Kandidaten für gewöhnlich Zehn-Punkte-Programme für ihr zukünftiges Wirken an der Spitze von Verwaltung und Gemeinderat auf den Tisch legen, gab sich Turner zurückhaltend. Er sei vor zwei Monaten von Kaufmann angefragt worden, sei "begeistert von dieser unglaublichen Chance", habe aber zunächst den 9. Januar abgewartet. An jenem Tag erklärte OB Wolfgang Schuster (CDU), nicht erneut antreteten zu wollen. Hätte Schuster sich anders entschieden, "dann hätte ich nicht mit den Zähnen geknirscht", sagt Turner, "das Leben wäre auch so weitergegangen". Er sei Unternehmer, an verschiedenen kleineren Firmen beteiligt und wirke als Honorarprofessor an der Hochschule der Künste in Berlin, sagt der Sohn des früheren Hohenheimer Uni-Rektors Georg Turner.

Er habe "große Lust auf die Komplettumstellung" seiner Lebensumstände, so Turner, die Möglichkeiten in Stuttgart seien "riesig, die Einladung, daran mitzuwirken, ist unwiderstehlich". Mit der Familie - seine Frau stammt aus Stuttgart, das Paar hat zwei Kinder - sei sein Engagement besprochen. Nach 17 Jahren in Berlin ist Turner der Bundeshauptstadt wohl überdrüssig: "Sie glauben gar nicht, wie ein OB Schuster dort gebraucht werden würde!"

Die Landeshauptstadt sieht Turner mit dem Bahnprojekt Stuttgart 21 wie Berlin kurz nach der Wiedervereinigung vor einer entscheidenden Weichenstellung. "Das Bürgerengagement hier will ich in einen Gestaltungsprozess leiten, der zu Lösungen kommt, die näher an Mailand sind als am Potsdamer Platz", formuliert er professoral. Das soll so viel heißen wie: Der Potsdamer Platz in Berlin ist städtebaulich eine Katastrophe und wärmt keinem Berliner das Herz. In Stuttgart muss eine solche Untat auf den in etwa zehn Jahren frei werdenden Gleisflächen verhindert werden.

Zum Vorbehalt der Parteibasis gegen den Werbemenschen sagt Turner, er sei schon immer auch ein politischer Mensch gewesen. Bei ihm gelte "erst der Inhalt, dann die Verpackung". Dass er der Parteibasis "vollkommen unbekannt" sei, schreckt ihn nicht ab. "Hingehen, zuhören, reden", das habe er sich für die kommenden Monate vorgenommen, am Nachmittag wolle er sich der Findungskommission stellen, danach noch Gespräche führen. "Die Stuttgarter CDU ist bereit, neue Wege zu beschreiten", glaubt Turner. Ob sie das tatsächlich ist, muss sich noch zeigen. Die fehlende Verwaltungserfahrung jedenfalls wird kritisiert. Turner weiß das. Er lobt die Stuttgarter Verwaltung als "gut gebautes und geführtes Uhrwerk, das es zu respektieren gilt". Er lobt OB Schuster ("ich bin begeistert von seiner Amtsführung als Ergebnis kluger, durchdachter Verwaltungspraxis"), und er lobt Manfred Rommel. Wie dieser mit Mutterwitz vermittele, ohne sich anzubiedern, das sei sein "kommunikatives Vorbild".

Die Anforderung, als OB-Kandidat Verwaltungserfahrung vorweisen zu müssen, habe überhaupt keinen Eingang in den von ihm aufgestellten Kriterienkatalog für den Bewerber gefunden, sagt CDU-Chef Stefan Kaufmann. Verwaltung sei "zuerst Führungsaufgabe". Ob die Kultur- und Sportbürgermeisterin Susanne Eisenmann seine Kriterien erfüllen könne, dazu will sich Kaufmann "nicht äußern". Die Findungskommission jedenfalls hat ihm aufgetragen, auch mit Eisenmann über eine mögliche Kandidatur zu sprechen.