Der Umbruch bei Meister Stuttgart Surge hat begonnen – die ersten vier Führungskräfte beenden ihre Karrieren. Und auch hinter der neuen Rebellen-Liga stehen weiterhin Fragezeichen.
Der bemerkenswerteste Glückwunsch kam direkt aus dem AT&T Stadium in Arlington/Texas, der Heimat der Dallas Cowboys. Dort stellte sich Jerry Jones (82), der 15 Milliarden Euro schwere Besitzer des NFL-Clubs, vor die Kamera, um Cheftrainer Jordan Neuman und dem Team von Stuttgart Surge zur Meisterschaft in der European League of Football zu gratulieren: „You brought it home!“ Ihr habt es nach Hause gebracht!
„Brought it home!“ ist der Spruch, der auf den T-Shirts steht, die sich die Surge-Spieler nach dem Titelgewinn am 7. September in ihrem Heimspiel in der Stuttgarter MHP-Arena überstreiften. Anschließend begann ein Festmarathon. Die Footballer feierten nicht nur ihren Triumph, für den sie so viel investiert hatten, sondern eine gute Woche lang auch sich selbst und ihren außergewöhnlichen Teamgeist. Nun folgt zwar nicht die große Ernüchterung, aber doch die Rückkehr in die Realität – in der sich zwei Fragen stellen: Was bleibt übrig von der Mannschaft, die mit der Vizemeisterschaft 2023, dem Einzug ins Halbfinale 2024 und dem Titel 2025 ihre ganz eigene Trilogie geschrieben hat? Und wie geht es weiter mit den elf Clubs, die auch künftig Football auf höchstem europäischen Niveau spielen wollen, allerdings nicht mehr unter dem Dach der ELF?
Vier Führungsspieler von Stuttgart Surge gehen, weitere werden folgen
Das erste Thema beschäftigt vor allem Coach Neuman. Im Interview mit dieser Redaktion hatte er den Umbruch bereits angekündigt: „Das wird passieren. Mein Gefühl ist, dass wir knapp ein Drittel des Kaders verlieren werden.“ Mittlerweile haben sich tatsächlich die ersten ganz wichtigen Spieler verabschiedet, allesamt mit pathetischen Worten und Gänsehaut-Fotos in den sozialen Medien. Quarterback Reilly Hennessey („Surge-Fans, es war ein Privileg, Eure Nummer 4 gewesen zu sein – Danke, dass ihr den Traum eines Kindes verwirklicht habt“) wird in die USA zurückkehren. Alessandro Vergani („Talent gewinnt Spiele, Teamwork gewinnt Meisterschaften“), der Anführer der Offensive Line und wie Hennessey einer der Kapitäne, wechselt womöglich in den Trainerstab von Stuttgart Surge. In D-Liner Simon Butsch („Dieser Titel bedeutet mehr, als viele jemals verstehen werden“) und Wide Receiver Aurieus Minton („Es endet mit Dir, Stuttgart Surge – ELF Champs 2025. Ich bin so stolz darauf, dass ich ein Teil dieser Reise war“) haben zwei weitere Führungskräfte des Meisters ihre Karrieren beendet. Andere, das ist jetzt schon sicher, werden folgen. „Bei uns“, sagt Jordan Neuman, „beginnt eine neue Ära.“ Und das nicht nur, was den Kader angeht.
Stuttgart Surge gehört zu den elf Franchises, die sich von der European League of Football losgesagt und erklärt haben, eine eigene Liga gründen wollen. Wie die European Football Alliance (EFA), in der sich die Rebellen zusammengeschlossen haben, die finanziellen und organisatorischen Herausforderungen angehen will, darüber hat sich die Gruppe noch nicht näher ausgelassen. Die Verantwortlichen von Stuttgart Surge zeigen sich zwar optimistisch, dass alles hinzubekommen ist, darüberhinaus wollen sie sich derzeit jedoch nicht äußern. Nur so viel ist sicher: Ihr Vertrag mit der ELF läuft nach fünf Jahren aus, und im Gegensatz zu Rhein Fire oder Frankfurt Galaxy muss in Stuttgart auch niemand um den eigenen Namen fürchten – die Rechte an der Bezeichnung Surge hält man selbst. Und noch etwas steht fest: Eine Rückkehr zur ELF, die der Franchise aus Stuttgart nach Informationen unserer Zeitung noch eine niedrige sechsstellige Euro-Summe schuldet, ist ausgeschlossen.
EFA-Funktionäre attackieren Zeljko Karajica
Etwas redseliger als die schweigsamen Surge-Führungskräfte waren zuletzt einige ihrer EFA-Kollegen. Martin Wagner, der Gründungsgesellschafter von Rhein Fire, der zuvor von Zeljko Karajica attackiert worden war, verglich den ELF-Geschäftsführer in einem X-Post mit Muhammad as-Sahhaf, dem früheren Außen- und Informationsminister des Irak, der für seine abwegigen und unglaubwürdigen Propagandaaussagen bekannt war. Und auch Robin Lumsden, der Besitzer der Vienna Vikings, ging Karajica an.
Dass die ELF in einer Pressemitteilung erklärt hatte, gültige Verträge mit elf Clubs für das Jahr 2026 zu haben, bezeichnete der Jurist in einem ORF-Interview als „Nebelgranate“. Auch weil derartige Kontrakte, so es sie denn gebe, nicht viel wert seien. Hätte er das Mandat einer solchen Franchise, würde er dieser als Anwalt „ein gutes Gefühl geben. Es ist zu viel vorgefallen, das eine Vertragsauflösung rechtfertigt.“ Den Ausstieg der Rebellen aus der EFA bezeichnete Lumsden als „logischen Schritt. Professioneller Sport ist immer auch mit finanziellen Themen verbunden. Uns war es wichtig, dass wir auch eine finanziell sichere Zukunft haben. Das war im jetzigen Modell nicht möglich.“
Wie das Modell der Zukunft genau aussieht? Und ob, wie gerüchtehalber zu vernehmen ist, der bisherige ELF-Commissioner Patrick Esume womöglich schon bald zur EFA stoßen wird? Darüber hat bisher niemand gesprochen. Wann sich das ändert, ist offen.