Wer dem Geläut der Markuskirche folgte, wurde nicht enttäuscht. Foto: Kathrin Wesely

Ihr Kirche ist geschlossen, und die Markusgemeinde geht nette neue analoge Wege, um gemeinsam zu beten. Denn mit gestreamten Gottesdiensten und anderen Internetangeboten würde Pfarrer Tilo Knapp nur einen Teil der Kirchgänger erreichen.

S-Süd - Viele Wirte, Händler und manche Dienstleister sind dieser Tage ins Internet umgezogen, weil ihre Lokale geschlossen sind. Für Tilo Knapp ist das keine Alternative. Auch seine Kirche ist geschlossen, aber seine Klientel ist nicht besonders internetaffin. Pflichtschuldig stellt der Pfarrer seine Predigtworte dennoch ins Internet – wohl wissend, dass dieser Ort für viele der älteren Kirchgänger eine Art elektronisches Nirwana ist. Will der Theologe die Gemeinde in diesen Zeiten liturgisch versorgen, muss er analoge Wege beschreiten.

Selbst unter Stahlin gab’s Gottesdienste

Die Glockenmaschine der Markuskirche läutet weiterhin sonntags zum Gottesdienst. Die Besucher standen anfangs ratlos vor verschlossenem Portal. Die ersten Sonntage empfing sie draußen Pfarrer Knapp. Der Oberkirchenrat hatte es so empfohlen, um die Leute nicht einfach stehen zu lassen. „Aber ich habe dadurch unfreiwillig eine kleine Versammlung inszeniert. Das ging so nicht.“ Künftig also Sonntag ohne alles? Knapp zitiert einen befreundeten Kollegen: „Nicht einmal Stalin hat es geschafft, dass es keine Gottesdienste mehr gab.“

Damit die Kirchgänger nicht ganz enttäuscht und unverrichteter Gebete von dannen ziehen müssen, hat Knapp vergangenen Sonntag kleine Vespertütchen mit „Gottesdienst to go“ zum Mitnehmen vors Portal der Markuskirche gehängt. Darin fand sich eine Kopie der nicht gehaltenen Predigt sowie ein Kerzchen und Zündhölzer – das kleine Kit für die gemütliche Messe daheim.

Knapps Sonntagspredigt befasste sich mit den letzten Versen des Hebräerbriefs und der Verortung des Einzelnen in der Gemeinschaft und im Universum. Die Fürbitte zum Ende stand ganz im Zeichen der Epidemie: „In der Aufgeregtheit der Nachrichten und Sondersendungen lass’ uns gelassen bleiben: Dein Wille geschehe Gott.“

Wird Ostern öde?

Am nächsten Sonntag wird der Geistliche wohl nicht umhin kommen, den Kirchgängern abermals den Gottesdienst mit nach Hause zu geben. Andernfalls dürften sie enttäuscht vorm verschlossenem Portal stehen – und das am letzten Sonntag vor Ostern, an Palmsonntag, dem Einzug Jesu Christi in Jerusalem. Pfarrer Knapp wird recht weh ums Herz: „Ostern ohne alles. Das wird auch für mich sehr schwierig...“ Er überlegt, wie er dem höchsten Fest der Christen im Stuttgarter Süden dennoch etwas Glanz verleihen könnte: „Vielleicht zwei Bläser, die vom Turm der Markuskirche ein paar Osterchoräle spielen? Zwei gingen ja noch, das wäre keine Versammlung“, überlegt er.

Neben all den Ängsten und Problemen, die diese Corona-Krise bringe, beflügele sie zugleich die Warmherzigkeit der Menschen. So habe die Gemeinde eine ehrenamtliche Helfergruppe auf die Beine gestellt. „Aber die brauchten wir bislang gar nicht, weil überall Nachbarn Aufgaben für die Älteren übernehmen“, berichtet Knapp. Gezielt meldet er sich selbst telefonisch bei allein stehenden Älteren, erkundigt sich nach dem Befinden. Seine Erkenntnis: Die Einsamkeit finden sie bislang noch zum Aushalten. „Viele freuen sich auch darüber, dass sie nun endlich die jungen Leute in ihrem Haus kennenlernen, die so nett und so hilfsbereit sind“.