Viel zu tun: Die Polizei in der Stuttgarter Innenstadt Foto: Kraufmann

Raubüberfälle nehmen zu: Peter Gutwein, Leiter des Raubdezernats, nimmt dazu Stellung.

Stuttgart - In den letzten Wochen wurden auffallend häufig Passanten auf offener Straße überfallen und ausgeraubt. Meist schlagen die Täter in der Innenstadt und spät in der Nacht zu. Peter Gutwein, Leiter des Raubdezernats beim Polizeipräsidium Stuttgart, nimmt dazu Stellung.

Herr Gutwein, am vergangenen Wochenende wurden innerhalb kurzer Zeit vier Passanten in der Innenstadt überfallen und ausgeraubt. Ist das Stuttgarter Normalität?

Nein, diese Fälle fallen aus dem Rahmen.

Die Täter haben nicht nur die Geldbeutel erbeutet, sie haben auch - als sich die Überfallenen wehrten - die Opfer mit Pfefferspray attackiert.

Die Täter haben erst dann Gewalt angewandt, als die Opfer versuchten, ihnen die Beute wieder abzunehmen. Das ist der klassische räuberische Diebstahl.

Heißt das, die Opfer haben sich situativ falsch verhalten?

Die Opfer haben sich nicht grundsätzlich falsch verhalten. Es ist richtig, wenn man versucht, sein Eigentum zu schützen. Die Frage lautet vielmehr, ob man es mit einem stärkeren Gegner aufnehmen kann. In allen vier Fällen am vorigen Wochenende waren die Täter schließlich zu zweit, und die Opfer waren alleine.

Wieso überfallen die Täter einen Passanten für 20, 30 oder 50 Euro? Man sollte meinen, dass Kriminelle auf andere Gelegenheiten warten, bei denen die Beute mutmaßlich lukrativer ausfällt.

Häufig ist der Straßenraub eine sehr spontane Straftat, ohne Plan und ohne Vorbereitung. Die geringe Beute ist typisch bei solchen Delikten. Die Täter wissen selbst, dass bei einem Menschen, der nachts auf dem Heimweg ist, kaum das große Geld zu holen sein wird. Darum geht es aber auch nicht. Manche Täter wollen sich mit den 20, 30 oder 50 Euro ihre nächsten Drogen besorgen, andere rauben sich das fehlende Geld für die Heimfahrt mit dem Taxi. Die Motive sind oft sehr banal.

Gesundheit nicht wegen Geldbeutel riskieren

Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Tätern und Opfern? Kennt man sich? Raubt man die eigenen Leute aus?

Eher nicht. Das ist eher typisch für den Bereich der Körperverletzung. Beim Straßenraub sind die Täter nicht wählerisch. Im Grunde kann fast jeder Opfer werden, der sich zur ungünstigen Zeit in der Reichweite des Täters aufhält.

Man schaut aber schon nach einem vermeintlich schwächeren Opfer, oder?

Ja, das ist so.

Ist die Innenstadt ein gefährliches Pflaster, mit Blick auf den Straßenraub?

In den Jahren 2004 bis 2008 sind die Fallzahlen beim Straßenraub von 126 auf 224 gestiegen. 2009 gab es dann mit 188 Fällen eine spürbare Entspannung. Doch leider registrieren wir im ersten Halbjahr 2010 wieder deutlich mehr Fälle. Vor allem im Mai und Juni gab es auffallend mehr Delikte. Der Schwerpunkt lag dabei in der Innenstadt. Die Zeit zwischen Mitternacht und den frühen Morgenstunden ist besonders heikel.

Was raten Sie dem Bürger, der spätabends in der Innenstadt unterwegs ist, weil er im Kino, im Theater oder auf einem Fest war?

Grundsätzlich sollte man versuchen, solche Wege nicht alleine zu gehen. Wenn sich zwei oder mehrere Personen zusammentun - und sei es nur als Zweckgemeinschaft für den Weg ins Parkhaus -, ist das Risiko schon deutlich geringer. Die belebte Königstraße alleine hält die Täter nicht ab, das hat sich auch am vorigen Wochenende gezeigt.

Falls es doch zum Straßenraub kommt: Sollte man sich wehren?

Dazu kann ich nicht raten. Die Gefahr, dass der Täter übermächtig ist oder zusätzlich gewalttätig wird, ist einfach zu groß. Wegen einem Geldbeutel sollte niemand seine Gesundheit aufs Spiel setzen.