Drei Tage lang erinnerte das Festival „Tanzlokal“ im September 2013 an die Ursprünge des modernen Tanzes und an Künstler wie Oskar Schlemmer, Mary Wigman und Kurt Jooss, die alle auch in Baden-Württemberg gewirkt haben. Doch was ist aus den Festival-Erkundungen geworden?
Drei Tage lang erinnerte das Festival „Tanzlokal“ im September 2013 an die Ursprünge des modernen Tanzes und an Künstler wie Oskar Schlemmer, Mary Wigman und Kurt Jooss, die alle auch in Baden-Württemberg gewirkt haben. Doch was ist aus den Festival-Erkundungen geworden?
Stuttgart - Anfang September 2013 bot der Schlossplatz ein ungewohntes Bild: Hunderte von Menschen ließen beim „Bal Moderne“ zu den Anweisungen von einigen Vortänzern im Stil Mary Wigmans, Rudolf von Labans und anderen Ausdruckskünstlern Arme rotieren und Glieder zucken. Sie waren Besucher des Festivals „Tanzlokal – Tanzfest Stuttgart“, das rund um das Kunstgebäude die Stuttgarter in Bewegung versetzt hat.
Choreografen aus dem Land, die freie Szene und der Tanzfonds Erbe (eine Initiative der Kulturstiftung des Bundes) haben neue Produktionen, vielfältige multimediale Aktionen und ein umfangreiches Rahmenprogramm präsentiert – vom Radioballett über Ausdruckstanz-Karaoke bis hin zum Tanz-Talk. Man sah selbstvergessen Tanzende und abends vom vielen Mitmachen erschöpfte, glückliche Gesichter. Dabei bewegten sich die Organisatoren und Besucher auf den Spuren der Tanzpioniere Rudolf von Laban, Kurt Jooss, Mary Wigman und Oskar Schlemmer, die in Baden-Württemberg oder Stuttgart in den 1920er bis 1950er Jahren gewirkt haben.
„Das Festival war ein voller Erfolg“, sagt Bea Kießlinger, Netzwerkerin in Sachen Tanz und Sprecherin der Tanz-Szene Baden-Württemberg. „Rund 8000 Menschen haben das Tanzfest besucht“, so Kießlinger, die mit der Dramaturgin Eva Böhmer die Künstlerische Leitung des Festivals innehat. „Die Reaktionen waren sehr berührend, und wir haben sehr schöne Rückmeldungen im Gästebuch erhalten.“ Auch tanzferne Bürger habe das partizipative Konzept angesprochen: „Es ging explizit darum, die Menschen in Bewegung zu setzen“, betont Eva Böhmer. Raus in den öffentlichen Raum, war das Motto, und das verfing. „Wir finden, dass sich mit Festivals noch mehr Publikum für den Tanz gewinnen lässt“, sagt Kießlinger. Nun denken die Initiatoren an eine Fortsetzung. „Ein guter Zeitpunkt wäre das Jahr 2016“, so Kießlinger. Dann könnte das Festival vielleicht alle zwei oder drei Jahre wieder stattfinden.
Themen für eine Fortsetzung gäbe es nach Einschätzung Kießlingers jedenfalls genug: „Spannend wäre es zum Beispiel, das Körperkonzept der Tanzpioniere mit dem heutigen zu vergleichen.“ Auch die Frage nach der Verbindung von Mensch, Gesellschaft und Umwelt im Tanz wäre laut Kießlinger ein interessantes Thema. „Beim letzten Mal war unser Konzept ganz offen. Jetzt stellt sich die Frage, ob wir bestimmte Bereiche näher beleuchten wollen“, sagt sie. Auch könnten das Tanzfest möglicherweise an die Große Landesausstellung über Oskar Schlemmer 2014 in diesem November in der Staatsgalerie anknüpfen. Gerade arbeiten Kießlinger und Eva Böhmer an einem Konzept für ein neues Festival. Dafür müssen sie aber erst einmal eine Finanzierung finden.
Eines der Projekte läuft bereits weiter: Der Choreograf und Tänzer Felix Bürkle hat gemeinsam mit dem Tänzer und Medienkünstler Pipo Tafel während des Tanzfests mit der Performance „Hexagon“ den Sechsecksaal im Haus der Geschichte tänzerisch erschlossen. Die Produktion kreiste um Rudolf von Labans Vorstellung der Körperkinesphäre und ihre konflikthafte Wechselwirkung mit dem Raum. „Nun haben beide von der Akademie Schloss Solitude und dem Haus der Geschichte ein Kooperationsstipendium für 2015 erhalten“, sagt Bea Kießlinger.
Das Festival ist auch außerhalb Baden-Württembergs auf reges Interesse gestoßen: Am 8. Februar waren Vertreter des Tanzfests zum Beispiel am Bauhaus Dessau zu Gast und haben dort das Konzept vorgestellt. In Dessau lief das Festival „Das Bauhaus tanzt“, das ebenfalls vom Tanzfonds Erbe gefördert wird, und Eva Baumann präsentierte dort ihre Produktion „Metamorphose – Revisiting O.S. / (Op)position zu O.S.“, in der sich die Choreografin mit Oskar Schlemmer auseinandersetzt. Auch ein weiteres Stück vom Tanzfest ging auf Reisen: Isabelle Schad hat am 28. Februar bei der Tanzplattform Hamburg ihr Stück „Der Bau“ vorgestellt, das von Oskar Schlemmer und Kafka inspiriert ist.
Nachwirkungen des Tanzfests sind auch insofern noch zu spüren, als das Ereignis einige Choreografen in die Region locken konnte, die zwar aus Baden-Württemberg stammen, aber inzwischen in anderen Bundesländern leben: so etwa Isabelle Schad, die in Berlin einen Projektraum leitet und dort den Körper in seiner Materialität und als Prozess und Ort erforscht. Oder die in Leipzig lebende Künstlerin und Performerin Diana Wesser, die beim Tanzfest Besuchern mit dem Spaziergang „Der bewegte Raum“ neue Sinneserfahrungen eröffnete. „Beide Choreografinnen möchten nun wieder etwas in Stuttgart machen“, sagt Kießlinger. Vielleicht auch bei einem künftigen Tanzfest.