Die neue Bürgerinitiative in Sillenbuch will sich gegen zu viel Verkehr in ihrem Stadtbezirk einsetzen. Foto: Caroline Holowiecki

Bei der Auftaktveranstaltung der Bürgerinitiative „Verkehrsentlastung 70619“ war der Saal in Stuttgart-Sillenbuch voll. Das Thema brennt zahlreichen Bürgern unter den Nägeln. Ideen gab es viele, konkrete Ansätze vorerst wenige.

Sillenbuch - Der Verkehr stinkt ihnen. Das machten die etwa 60 bis 70 Sillenbucher deutlich, die am Donnerstag bei dem Infoabend Verkehr waren. Die Kirchheimer Straße ist ein einziger Dauerstau, durch den engen Feigenweg rumpeln tagaus, tagein Autos, Laster und Busse, und auch um Heumaden schieben sich Blechlawinen. Und das, was die neue Bürgerinitiative „Verkehrsentlastung 70619“ prophezeit, macht vielen Angst. Bis zu 2000 Fahrzeuge pro Tag zusätzlich könnten sich die Hedelfinger Filderauffahrt hinaufquälen und dann großteils durch den Bezirk drücken, wenn die Feinstaub-Fahrverbote für Dieselfahrzeuge bis Euro 5 kämen, „und nicht irgendwelche, sondern die dreckigen“, wetterte das Initiativenmitglied Hermann Schöllhorn.

Die Straßen sind maximal ausgelastet

Es gibt noch schlimmere Szenarien für Sillenbuch. Bis zu 4000 Auto mehr könnten es werden, wenn die Citymaut käme, bei der Auswahl nach geraden und ungeraden Kennzeichen für die Einfahrt ins Zentrum bis zu 8000. Die Zahlen stammen aus dem aktuellen Luftreinhalteplan. „Irgendwann ist das Fass für den Verkehr in Sillenbuch übergelaufen“, sagte Schöllhorn. Die Teilnehmer der Veranstaltung ließen keinen Zweifel daran, dass sie weniger Autos, weniger Schadstoffe, weniger Lärm möchten. „Wir haben aber keine fixe Lösung auf dem Tisch“, stellte Schöllhorn klar. Stattdessen ging es darum, Hintergrundinfos zu liefern. Für die war Thomas Kiwitt, der Planungsdirektor des Verbands Region Stuttgart, eingeladen. Viel Mut konnte er den Zuhörern nicht zusprechen. „Unsere Straßen sind maximal ausgelastet, wenn Sie eine sperren, wird es anderswo mehr.“ Eine Verbesserung des Verkehrsflusses sei in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Demografie, Wohnraumknappheit, zunehmende Pendlerströme und Zuzüge würden die Situation verschärfen, ebenso die wirtschaftliche Situation in einer starken Industrieregion. „Mobilität ist Wohlstand“, sagte er.

Zum Thema Filderauffahrt beraten die Regionalräte

Viele Zuhörer, etwa Andreas Hamm-Reinöhl, der stellvertretende Schulleiter des Geschwister-Scholl-Gymnasiums (GSG), erhofften sich überdies Auskunft darüber, wie es mit der Filderauffahrt weitergeht. Die Option auf den Bau der Straße blockiert nämlich ein Grundstück, auf dem der Neubau der Schule entstehen könnte. Stadt und Gemeinderat haben die Planungen auf Eis gelegt und warten ab, ob diese Variante der Filderauffahrt auch im nächsten Regionalverkehrsplan noch enthalten sein wird oder ob sie für eine andere Variante, die einen langen Tunnel von Wangen aus bis nach Degerloch vorsieht, verworfen wird. Kiwitt ließ keinen Zweifel dran, dass „wir eine Priorität für den Langtunnel haben“, weil man eine deutlich größere Verkehrsentlastung erwarte, stellte aber auch klar, dass aktuell erst sämtliche Stellungnahmen ausgewertet würden – ergebnisoffen. Ab Januar beraten die Regionalräte. Ein Ergebnis ist im April zu erwarten. Dem will der Chefplaner nicht vorgreifen. Leise hoffen ließ er die GSGler dennoch, indem er beteuerte, die Probleme ernst zu nehmen, sie würden in jedem Fall in die Beratungen einfließen. „Gehen Sie davon aus, dass wir eine Lösung finden“, sagte Kiwitt in Richtung Schulleitung.

Eine Beruhigung durch Tempo 30

Nicht nur sie hörte es gern, denn, das wurde klar, die Filderauffahrt in der Variante mit kleineren Tunneln durch den Bezirk wünscht sich kaum keiner. Das Gros der Anwesenden befürchtete mehr Verkehr und mehr Lärm. Stattdessen könnten sich viele auf der Kirchheimer Straße eine Beruhigung vorstellen, etwa über Tempo 30. Auch mehr Kontrollen des Lkw-Durchfahrtsverbots in Riedenberg wünschen sich Anwohner, außerdem mehr P+R-Angebote.

Klar ist nämlich allen: Eine schnelle Lösung muss her, und neue Straßen gehören nicht dazu. „Wenn wir heute Straßenbauprojekte anstoßen, erlebt die Einweihung keiner mehr in seiner Dienstzeit“, so Kiwitt. Als womöglich am effektivsten bewerteten die Sillenbucher daher die Idee, bei Feinstaub-Fahrverboten und -Sperrungen die Filder-Zufahrt gleich mitzusperren, denn so würde der Querverkehr aus Richtung Remstal gen A8 um Stuttgart herumgezwungen. Kiwitts grundsätzlicher Tipp: „Sie müssen für Ihre Belange trommeln, das machen andere auch.“