Karl-Heinz Nuding erinnert sich gern an die Zeit in der Backstube. Foto: Caroline Holowiecki

In unserer Serie „Mein 2017“ sprechen wir mit Menschen, die im vergangenen Jahr etwas Außergewöhnliches erlebt haben. Wir fragen nach, wie es ihnen geht, was sich inzwischen verändert hat und blicken auch ein wenig in die Zukunft. Heute: Karl-Heinz Nuding aus Sillenbuch, der seine Bäckerei schloss.

Sillenbuch - Die Küche ist der Traum eines jeden Kochs. Nagelneu, geräumig, mit top modernen Geräten und schicken grauen Fronten, die sich leicht abwaschen lassen. Auch Karl-Heinz Nuding schaut sich zufrieden um. Nichts erinnert mehr an die alten Möbel, die hier 40 Jahre gewesen waren und teilweise noch Stücke der Großmutter enthalten hatten. „Die Küche war optisch nicht mehr schön, aber die Tische hast du nicht kaputt gekriegt“, sagt er. Gewichen ist das alte Inventar trotzdem.

Und nicht nur das. Karl-Heinz Nuding und seine Frau Jadranka haben 2017 ihr ganzes Leben umgemodelt, und die neue Küche steht dafür als Symbol. Am 31. Januar haben sie ihre Bäckerei in Alt-Sillenbuch geschlossen.

Aufs Jahr genau 50 Jahre

Aufs Jahr genau 50 Jahre hatte Karl-Heinz Nuding zuvor sechs Tage die Woche in seiner Backstube im Keller des Gebäudes an der Tuttlinger Straße gestanden. 1919 hatte dessen Großvater das Geschäft eröffnet. Bis zuletzt war der Urenkel, Daniel Nuding, gemeinsam mit den Eltern in der vierten Generation dort tätig gewesen.

Der Schnitt war hart, aber notwendig. Es hatte sich nicht mehr gelohnt, „ich bin froh, wenn ich die Entwicklungen sehe, dass wir ohne rote Zahlen aufgehört haben“, erzählt er. Nicht nur deswegen war es höchste Eisenbahn gewesen. „Ich merke es, heute würde ich es nicht mehr schaffen. Die Beine sind schwach“, sagt der 66-Jährige. Hochgelegt hat er sie trotzdem nicht.

In weniger als zwölf Monaten hat sich sein Haus an der Tuttlinger Straße verwandelt. Die Schaufenster des Bäckerladens sind verschwunden. Wo einst Brötchen und süße Stückle über die Theke gingen, sind ein Büro und ein Schlafzimmer entstanden. Hinten haben sich die Nudings einen großen Balkon anbauen lassen, von dem aus sie den Blick über Baumwipfel schweifen lassen können.

Alles ging schneller als geplant

Die Öfen aus der Backstube im Keller sind herausgerissen, die Maschinen sind veräußert. Alles ging schneller als geplant. Ein Wasserschaden direkt Anfang des Jahres hat das Tempo bestimmt. Wenn schon, denn schon. „Viele sprechen mich an und fragen, wie der Ruhestand sei. Ich habe noch nichts davon gemerkt“, sagt Karl-Heinz Nuding.

Vieles muss sich erst noch einspielen. Bis heute weckt den Frühaufsteher die innere Uhr in der Nacht. Dann trinkt er einen Kaffee, so wie früher, und schaut fern, bis die Lider schwer werden. „Das rauszubringen, das dauert“, sagt er. Auch mit dem, was andere Bäckereien anbieten, ist er nicht immer glücklich.

Er habe jetzt ein schmackhaftes Brot gefunden

Seine eigenen Brezeln vermisse er, vieles sei heute Industrieware. „Ich habe mich durchprobiert. Ich habe ein Brot gefunden, das mir schmeckt“, sagt er, und ein knitzes Lächeln umspielt den Mund. Selber backen will er trotzdem nicht mehr. Sohn Daniel ist sofort nach der Schließung des Betriebes bei seiner früheren Lehrstelle untergekommen. Für Kuchen zum Kaffee ist also stets gesorgt. Und ein dickes Fotobuch hält die Erinnerungen wach. Darin sind unzählige Bilder von Stammkunden. Viele haben unterschrieben und einen Abschiedsgruß formuliert.

Bleibt den Nudings die Ausgestaltung des alten, neuen Hauses. Dass Renovieren weit mehr als nur Neumachen ist, haben die Eheleute schon festgestellt. Sie hat die alten Porzellanlampen aus dem Verkaufsraum als Erinnerung behalten, er bezweifelt, dass die an der frisch eingezogenen Rigipsdecke halten. „Das sehen wir dann“, sagt Jadranka Nuding mit diesem typisch weiblichen Augenzwinkern, das eigentlich keine Widerrede zulässt. Das 45 Jahre alte Ehebett soll einem Boxspringbett weichen, und „mein Projekt 2018 wird der Garten“, sagt Karl-Heinz Nuding. Der Rasen braucht eine Frischekur, außerdem schwebt ihm ein Gemüsebeet vor. „Schritt um Schritt“, sagt er, und man ahnt es: Der Unruhestand hat gerade erst begonnen.