Marcus Friese (r.) und Ruben Tengler prüfen die Straßenbäume. Foto: Caroline Holowieck

Im März hat ein Sturm eine Robinie an der Ortsdurchfahrt in Stuttgart-Sillenbuch umgenietet. Damit das nicht so schnell wieder passiert, sind dieser Tage Experten unterwegs. Denn es geht um die Sicherheit der Bürger.

Sillenbuch - Nummer 168 ist fällig. Ein fast faustgroßes Loch klafft direkt über dem Boden im Stamm der Robinie. Das Holz ist porös, die Rinde bröckelt. Marcus Friese vermutet, dass der Eschenbaumschwamm, eine Pilzart, den Baum an der Kirchheimer Straße in Sillenbuch befallen hat. Er fährt mit einem umfunktionierten Unkrautstecher in das Loch, stellt fest, dass statische Wurzeln fehlen. Zwei blaue Punkte hat der Fach-Agrarwirt für Baumpflege und Baumsanierung an den Stamm gesprüht. Will heißen: Nummer 168 muss weg. Die Fällung soll innerhalb der kommenden sechs Monate erfolgen. „Verkehrssicherheit vor Ökologie“, stellt Marcus Friese klar.

Jeder Baum muss einmal im Jahr überprüft werden

Der Baumkontrolleur nimmt dieser Tage Robinien, Eichen, Buchen und andere Arten in Sillenbuch fürs Gartenamt unter die Lupe. Turnusmäßig. „Die Vorgabe ist, dass jeder Baum einmal im Jahr, spätestens alle 15 Monate geprüft wird“, erklärt Ruben Tengler, der Betriebsleiter Baumpflege. Und damit meint er: alle städtischen 185 000 Bäume. In Parks, auf Friedhöfen oder eben an Ortsdurchfahrten wie der Kirchheimer Straße. Wie vital ist das Gewächs, wie ist die Krone ausgebildet, muss geschnitten werden, wie sieht das Umfeld aus? Marcus Friese schaut, er klopft mit einem Schonhammer und horcht, er schabt und stochert mit einem Sondierstab. Was er dabei wahrnimmt, vermerkt er im Baumkataster.

Die Kirchheimer Straße erfordert Marcus Frieses besondere Aufmerksamkeit. Denn den Robinien – auch Scheinakazien genannt –, die im Frühsommer prächtig blühen, geht es gar nicht so prächtig. „Wir haben hier schwierige Bedingungen“, sagt Stefanie Thombansen, die Dienststellenleiterin Baumverwaltung und -pflege, denn die Allee wurde vor rund 20 Jahren genau auf den damals neuen U-Bahn-Schacht gesetzt. Konsequenzen: wenig Erdreich und Wurzelraum, teilweise auch Staunässe durch Lehmschichten. „Wir haben eine hohe Ausfallquote“, sagt sie. Seit 2014 wird der Missstand sukzessive behoben. An den Pflanzstandorten wird nachgebessert, tiefer gegraben und frisches Substrat verfüllt. Die jährlichen Baumkontrollen bilden die Grundlage.

Insgesamt sind sieben Kontrolleure fast täglich im Einsatz

Dass der Check durchaus seinen Zweck hat, hat sich Anfang März gezeigt. Da hatte ein heftiger Sturm an der Kirchheimer Straße einen Baum umgeworfen. Der Stamm war nahezu bündig über der Erde abgebrochen. Verletzt wurde niemand, aber damit so etwas möglichst nicht mehr vorkommt, weder in Sillenbuch noch anderswo, sind sieben Baumkontrolleure nahezu ganzjährig im Einsatz. Neben Nummer 168 hat Marcus Friese noch einen anderen Kandidaten ausgemacht, der weichen und ersetzt werden muss. Andere stehen unter Beobachtung – wie eine Robinie mit Rindenschaden, der aber wohl nicht von einem Pilz, sondern von einem Auto kommt. Untermittelbar dahinter geht es in eine Garage, gut möglich, dass da einer die Kurve nicht gekriegt hat. Aber nicht nur wegen des Unvermögens einiger Autofahrer haben es die Sillenbucher Bäume schwer. So verdichten die ständigen Vibrationen durch vorbeifahrende Fahrzeuge oder die Bahn den Boden, erklärt Ruben Tengler, Hunde-Urin, Streusalz und die großflächige Bodenversiegelung, die nur wenig Oberflächenwasser durchlasse, setzten den Pflanzen zusätzlich zu. „Es ist ein Extremstandort“, sagt er über die Kirchheimer Straße. Gleichwohl sagt er, dass der urbane Raum für einen Baum nie ideal sei. „Nach 40 Jahren ist bei einer Robinie im Straßenraum Ende.“