Die Metallplatte, die hier verschraubt war, ist nicht mehr aufzufinden. Auf ihr stand ein Zitat von Anna Haag. Foto: Holowiecki

Das Andenken ist unvollständig: Seit einiger Zeit fehlt eine der Platten in Stuttgart-Sillenbuch, die an die verstorbene Politikerin Anna Haag erinnern. Die Stadtverwaltung hat schon Nachschub bestellt. Doch bei dem Ersatz allein wird es nicht bleiben.

Sillenbuch - Ich werde die blaue Frühlingsluft in mich trinken“, liest man auf dem Geländer auf dem Anna-Haag-Platz in Sillenbuch. Das passt zur Jahreszeit, hat aber eine tiefere Bedeutung als die reine Lust am Frühjahrserwachen. Vor rund zwölf Jahren wurde der Platz an der Eduard-Steinle-Straße eingeweiht. Bis heute erinnert er an die 1982 verstorbene Landtagsabgeordnete, Schriftstellerin, Frauenrechtlerin und Pazifistin, die auch in Sillenbuch gelebt hatte.

Auszüge aus dem Kriegstagebuch

Elf Metallplatten, jeweils fest verschraubt in Betonsockeln, sind zwischen Lavendel und Bäumen um den Platz herum verteilt. Wer entlang wandelt, kann Auszüge aus dem Kriegstagebuch Anna Haags lesen. Dieses Journal hatte sie, Jahrgang 1888, von 1940 bis 1945 geschrieben und in ihrem Kohlekeller versteckt. Der letzte Eintrag, der in Alt-Sillenbuch zu finden ist, stammt vom 22. April 1945, dem Tag des Einmarsches der Franzosen. Doch der erste – der ist weg. Die etwa einen auf einen Meter große Platte ist verschwunden. Wo die Schrauben im Beton saßen, sind Stücke herausgebrochen.

Die Anwohner sind ratlos. Dass ein Lastwagen womöglich drübergefahren ist und sich die Platte so gelöst hat, vermutet eine Nachbarin. Auch Diebstahl wird nicht ausgeschlossen. „Es sind ja viele unterwegs, die Altmetall sammeln“, sagt eine andere Frau. Eine ähnliche Vermutung hat Walter Wagner, der Leiter der Abteilung Stadtgrün beim Gartenamt. „Die hat wahrscheinlich jemand geklaut“, sagt er. Wann, ist unklar. Das Fehlen sei „irgendwann mal bemerkt“ worden.

Günstig wird das aber nicht

Unvollständig wird die Erinnerung an Anna Haag aber nicht bleiben. Eine neue Edelstahl-Platte sei bereits bestellt – und mit ihr wird laut Wagner gleich das ganze Ensemble erneuert. Denn die Schrift auf den zehn anderen Elementen ist verblasst. Bereits 2017 hatte es daher im Sillenbucher Bezirksbeirat geheißen, die Schilder müssten bearbeitet werden. Günstig wird das jedoch nicht.

Eine gelaserte Platte kostet laut dem Abteilungsleiter etwa 3000 Euro, hinzu kommen neue Fundamente, Grab- und Pflanzarbeiten, „das läppert sich“. Alles in allem soll die Generalüberholung rund 45 000 Euro kosten. Damit das Geld nicht alsbald wieder fällig wird, soll diesmal eine Gravurtechnik gewählt werden, die besser konservierbar ist.