Auf Bundesstraßen wie der B 14 ist womöglich bald nur noch Tempo 40 erlaubt. Foto: dpa

Das Regierungspräsidium erwägt, Tempo 40 auf Stuttgarter Bundesstraßen einzuführen.

Stuttgart - Die Stuttgarter Luft ist auch 2008 und 2009 entlang der Hauptverkehrsstraßen viel zu schlecht gewesen. Manche Schadstoffgrenzwerte wurden drastisch überschritten. Noch im Oktober werden deswegen Überlegungen angestellt werden, ob auf Bundesstraßen Tempo40 eingeführt werden muss.

Der Alptraum jedes Hobbyrennfahrers könnte in Stuttgart schon 2011 in Erfüllung gehen: dass die Polizei und die Ordnungsbehörden nicht nur die Einhaltung des derzeitigen Tempolimits von 50 Stundenkilometern kontrollieren, sondern auf Bundesstraßen gar 40 Stundenkilometer vorschreiben.

Ein ernst zu nehmendes Signal

Die Christdemokraten im Rathaus befürchten sogar, dass ihre politischen Widersacher Tempo 30 auf Bundesstraßen befürworten könnten, speziell an Orten wie dem Feinstaub-Brennpunkt Neckartor. SPD-Fraktionschefin Roswitha Blind hält zumindest diese Angst für unbegründet. Tempo30 sei vom Tisch, die SPD hätte es auch nicht mitgetragen. Es gehe aber tatsächlich um 40 Stundenkilometer. Sollte sich dies aus Gründen der Luftreinhaltung als sinnvoll erweisen, werde die SPD es nicht aus ideologischen Gründen ablehnen.

Das ist ein ernst zu nehmendes Signal. Im Stuttgarter Rathaus existiert seit 2009 nämlich eine Mehrheit aus Grünen, SPD sowie SÖS/Linke, die nicht davor zurückschreckt, stärker in den Verkehr einzugreifen, wenn es der Umwelt dient. Das Ziel der Grünen seien weniger Autoverkehr und ein niedrigeres Geschwindigkeitsniveau, sagte Stadtrat Peter Pätzold jetzt. Neben schärferen Tempogeboten könnten ein Konzept für eine umweltfreundlichere City-Logistik, also die Warenanlieferung in der Innenstadt, eine Lkw-Maut auf Bundesstraßen und Nutzungsgebühren für alle Fahrer auf bestimmten Strecken dazu beitragen.

Derweil weigert sich das bürgerliche Lager, die Realitäten anzuerkennen. Ob denn am berüchtigten Schadstoff-Brennpunkt Neckartor richtig gemessen werde, wollte Dieter Wahl (CDU) jüngst wissen. Er wurde enttäuscht. Es werde sehr wohl richtig gemessen, erklärte Ulrich Reuter, der Chef der Stadtklimatologen im Umweltamt. Reuter hielt außerdem fest, dass der Luftreinhalte- und Aktionsplan Stuttgart selbst in der am 1. Juli 2010 erweiterten Form die Einhaltung der Grenzwerte nicht ermögliche. Deshalb solle keine Zeit vertan werden, wirksame Maßnahmen voranzutreiben.

Kosten in Millionenhöhe als Folge?

Die Förderung der Elektromobilität ist für Reuter eine der Perspektiven, die Linderung bringen könnten. Die Überlegungen in Berlin zur Einführung einer Lkw-Maut auf Bundesstraßen sei eine andere. Doch Ordnungsbürgermeister Martin Schairer (CDU) musste im RP erfahren, dass man über eine Umsetzung dieser Mautpläne noch keinerlei Anhaltspunkte habe.Ob es so weit kommen wird, ist aber auch noch offen. Die Stadt und das Regierungspräsidium (RP) Stuttgart haben ein Gutachten beim Verkehrswissenschaftlichen Insititut der Universität Stuttgart in Auftrag gegeben, das auf Daten des Ingenieurbüros Lohmeyer aufbaut. Das Zwischenergebnis erfüllte die Erwartungen aber nicht, heißt es jetzt. Damit könne man nicht vor die Stadträte treten. Das Gutachten sei noch zu wissenschaftlich, lasse klare Aussagen und Empfehlungen vermissen.

Dass ein geringeres Tempo zu geringerem Schadstoffausstoß aus den Auspuffen und zu weniger Abrieb von den Autobremsen führt, ist zwar in der Fachwelt unstrittig. Doch Tempo40 auf den wichtigsten Straßen könne unter Umständen zu längeren Grünphasen an den Ampeln zwingen und längere Wartezeiten für Autofahrer sowie Staus auf den Querstraßen schaffen. Deshalb gilt als ungewiss, ob so eine Maßnahme der Luft wirklich nützt. Dazu kommt, dass Mitte der 1990er Jahre ein leistungsstarker Cityring geschaffen und die Ampelsteuerung darauf eingestellt wurde.

Kosten in Millionenhöhe als Folge?

Sollte jetzt flächendeckend in die Steuerung der Signalanlagen eingegriffen werden müssen, könnten Kosten in Millionenhöhe die Folge sein. Das spricht zwar nicht gegen den vorrangigen Gesundheitsschutz, doch die Maßnahmen sollten daher wohl begründet sein.

Tempo 30 war bei dem Gutachten, das nun spätestens Ende Oktober vorliegen soll, vornherein ausgeklammert worden. Das RP hatte sich nach Beobachtung der Stadtverwaltung schon mit der Umsetzung von Tempo 50 auf Stuttgarts Hauptstraßen schwer getan. Tempo 30 schien da unvorstellbar. Aber weil die Stadt auf Bundesstraßen nicht selbst Tempolimits anordnen kann, musste das RP bei der Einholung des Gutachtens mitwirken - und inzwischen ist die Behörde nicht abgeneigt, Tempo 40 umzusetzen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Europäische Union den Antrag der Landesregierung ablehnte, für Stuttgart den Feinstaub-Grenzwert vorläufig auszusetzen. Ob die EU beim Stickstoffdioxid nachsichtiger sein wird, weiß zurzeit niemand.