Zum Baustart Ende April war das Kosten-Desaster der Verwaltung schon bekannt Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Der erst Ende April begonnene Bau des B-10-Tunnels unter dem Rosensteinpark wird für die Stadt zum finanziellen Fiasko. Statt 231 werden die Röhren und das Stück Berger Tunnel voraussichtlich 274,6 Millionen Euro kosten.

Stuttgart - Im Büro von Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) stapelten sich am Mittwoch die Geschenke zu seinem 50. Geburtstag. Auf eine Gabe hätte der oberste Kassenhüter sicher verzichten können: Aus dem Technischen Referat des Kollegen Dirk Thürnau (SPD) flatterte eine Anforderung über 43,6 Millionen Euro Mehrkosten für den eben erst begonnenen Rosenstein- und den Berger Tunnel auf den Tisch. „Fast 20 Prozent mehr, von der Dimension bin ich überrascht worden“, sagte Föll. Und weiter: „Das kann ich nur mit Bauchgrimmen zur Kenntnis nehmen, weil das nicht sein darf, die Erhöhung geht voll zulasten der Stadt.“

80 Prozent der für den Bau nötigen Aufträge seien inzwischen erteilt worden, und das Thema Kostenerhöhung „setzt sich fort“, sagte Thürnau. Beim Grundsatzbeschluss des Gemeinderates zu den (bei der SPD sogar innerparteilich) heiß umstrittenen Röhren im Oktober 2012 waren 193,5 Millionen genannt worden.

Nach den ersten Vergaben für den Berger Tunnel hatten sich bereits 37,5 Millionen mehr ergeben. Man habe schon damals grundsätzlich auf die Marktsituation – viele gleichzeitige Tunnelbauten schwächen den Wettbewerb – hingewiesen. Jede weitere Stellungnahme lehnte Thürnau mit dem Hinweis auf die verwaltungsintern laufende Finanzierungsüberprüfung ab.

Neben den schlechten Ausschreibungsergebnissen würden erhebliche Mehrkosten durch den Bau unter laufendem Verkehr auf der B 10 und geologische Randbedingungen angeführt, sagt Föll. Dazu, ist aus Thürnaus Umfeld zu hören, kämen Altlasten und eine Kampfmittelbeseitigung. So waren die Tunnelbauarbeiten, die die Bietergemeinschaft Marti Deutschland und Wolf & Müller Spezialtiefbau erledigt, während des Frühlingsfests gestoppt worden, weil es den Verdacht auf eine Weltkriegsbombe gab. Der bewahrheitete sich zwar nicht, „wir können aber nicht das Fest räumen lassen“, heißt es aus Thürnaus Umfeld.

Die Geologie sei trotz Karten und Bohrungen schwieriger als erwartet, die Baupreise seien „richtig nach oben gegangen“. Man habe die Erhöhung natürlich bereits vor dem mit der Bundestagsabgeordneten Karin Maag (CDU) und Dorotheé Kölpin, Ehefrau des Wilhelma-Direktors inszenierten Baustart gekannt. Aber warum wurde sie dann nicht gleich und bis heute nicht mitgeteilt? Thürnau schweigt auch zu dieser Frage. Im Amt heißt es, man habe erst die Finanzierung klären wollen. Klar ist jedenfalls, dass praktisch keine Chance besteht, die Baufirmen heranzuziehen. Und weil es mit dem Land nur einen Vertrag über eine absolut gedeckelte Mitfinanzierung in Höhe von 112 Millionen Euro gibt, wird die Stadt auf den Mehrkosten sitzen bleiben. Ihr zu stemmender Anteil wächst nun von bisher 119 auf 162,6 Millionen Euro. Gemessen am Eigenanteil sind das nicht rund 20, sondern 37 Prozent Mehrkosten.

„Für den Doppelhaushalt 2016/17 sind das 13,6 Millionen Euro mehr“, sagt Föll, aber auch schon für dieses Jahr müsse er deutlich mehr Geld bereitstellen. Ob der laufende Haushalt das zulässt, ohne erstmals nach mehr als zehn Jahren neue Schulden machen zu müssen, werde man erst mit dem Jahresabschluss 2014 im Juli wissen.

Die Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke-plus, die den Rosensteintunnel zusammen mit den Grünen im Gemeinderat schon bisher abgelehnt hat, beantragte am Mittwoch, für das „überflüssige und verzichtbare Projekt“ jetzt die Notbremse zu ziehen. Die Arbeiten sollten sofort eingestellt werden, der kommende Haushalt sei durch Mehrkosten bereits überlastet.