Zum Konzept der Musik-für-alle-Schulen gehört auch, dass Dozenten von der städtischen Musikschule verschiedene Instrumente vorstellen. Foto:  

Wann haben Ganztagsschüler noch Zeit, um ein Instrument zu lernen? Die Antwort: im Unterricht. Die Filderschule in Stuttgart-Degerloch und die Pestalozzischule in Stuttgart-Rohr werden zu Musik-für-alle-Schulen.

Rohr/Degerloch - Die Pestalozzischule in Rohr und die Filderschule in Degerloch können sich freuen. Denn sie sind zwei der insgesamt fünf Musik-für-alle-Schulen in Stuttgart. Die Entscheidung fiel kurz vor den Sommerferien. Los geht es im Februar 2019 mit dem zweiten Schulhalbjahr.

Das Ziel sei es, auch beim Thema musikalische Bildung mehr Chancengerechtigkeit herzustellen, sagt Friedrich-Koh Dolge. Er ist der Leiter der städtischen Musikschule. Jedes Kind soll die Möglichkeit haben, ein Instrument zu lernen oder seine Stimme auszubilden – unabhängig von seiner Herkunft und dem Geldbeutel der Eltern. Dolge geht aber noch einen Schritt weiter: „Mein persönliches Ziel ist es, die Grundvoraussetzungen dafür zu schaffen, dass das Kind selbstverantwortlich entscheiden kann, ob es sich mit der Welt der Musik auseinandersetzen möchte und wenn ja, in welcher Form.“ Für den Musikschulleiter heißt das, dass zum Beispiel das bereits vorhandene Klavier im Wohnzimmer nicht die Entscheidungsgrundlage dafür sein sollte, welches Instrument ein Kind lernt.

Ein Instrument lernen oder lieber in den Chor?

In den Musik-für-alle-Schulen bekommen die Mädchen und Jungen zunächst eine einjährige musikalische Grundausbildung. Diese umfasst das zweite Halbjahr der ersten Klasse und das erste Halbjahr der zweiten Klasse. In dieser Zeit stellen Dozenten der Musikschule auch verschiedene Instrumente vor. Darunter werden auch exotische Instrumente sein, wie zum Beispiel die türkische Langhalslaute. Was genau an welcher Schule angeboten wird, hängt von den Wünschen der Schule und den Möglichkeiten der jeweiligen Stadtteil-Musikschule ab. Nach der musikalischen Grundausbildung können sich die Kinder entscheiden, welches Instrument sie lernen oder ob sie eine Gesangsausbildung machen wollen.

Musik-für-alle-Schule bedeutet aber auch, dass die gesamte Schule zum Singen gebracht werden soll. „Jedem Kind seine Stimme“ heißt das Motto. Das gleichnamige Konzept dazu stammt aus Nordrhein-Westfalen. Dabei spielen die Kinder, die eine Gesangsausbildung machen, eine besondere Rolle. Sie fungieren als sogenannte Peergroup – als Vorreiter. Die Lieder, die sie lernen, sollen sie wieder in ihre Klassen hineintragen. Und auch die Lehrer machen eine stimmliche Fortbildung. Das Ziel ist es, dass die gesamte Schule am Ende ein gemeinsames Liedrepertoire hat. „Alle gemeinsam können dann spontan auf dem Marktplatz vier oder fünf Lieder singen“, sagt Dolge.

Das gesamte Angebot ist für Kinder beziehungsweise Eltern kostenlos

Das gesamte Angebot inklusive des Instrumentalunterrichts und der Leihinstrumente ist für die Kinder, beziehungsweise deren Eltern, kostenlos. Das muss auch so sein, weil es Teil der Ganztagsschule ist, in der es keine Bezahlangebote geben darf. Das Projekt endet mit dem zweiten Halbjahr der dritten Klasse. Wer danach seine Liebe zur Musik entdeckt hat, muss in der städtischen Musikschule oder im Verein weitermachen oder aber Privatunterricht nehmen. Wie es nach der zweijährigen Pilotphase weitergeht und ob das Konzept „Musik für alle“ auf andere Schulen ausgeweitet wird, steht noch nicht fest. „Wir werden das Projekt zunächst evaluieren und dann entscheiden, wie wir weitermachen“, sagt Dolge. Doch er ist sicher, dass die Musik-für-alle-Schulen ein Erfolg werden.

Silke Plaas freut sich auf das Projekt. „Wir haben uns beworben, weil wir der Meinung sind, dass die musikalische Früherziehung und das Erlernen eines Instruments zur Bildung gehören sollten“, sagt die Rektorin der Pestalozzischule in Rohr. Musik spiele an der Schule ohnehin eine große Rolle. So gebe es zum Beispiel seit jeher einen Chor. Doch das neue Programm biete die Möglichkeit, die Qualität zu verbessern und sich noch breiter aufzustellen. Zudem passe Musik zum Standort. Denn in unmittelbarer Nachbarschaft befinden sich das Hegel-Gymnasium und die Robert-Koch-Realschule; an beiden wird großer Wert auf dieses Thema gelegt.

Auch Carola Frech freut sich „unheimlich“ für ihre Filderschule. „Bei uns in Degerloch sind die verschiedenen Institutionen sowieso eng miteinander verbunden. Wir arbeiten schon lang mit der Musikschule zusammen“, sagt die Rektorin. Die Filderschule sei im fünften Jahr Ganztagsschule. „Es ist toll, dass wir jetzt auch eine Musik-für-alle-Schule werden.“ Das passe zum Konzept. „Wir sind ohnehin eine musisch beschwingte Schule mit einem großen Schulchor“, sagt Frech.