Roma haben kein sicheres Herkunftsland – davon sind die Unterstützer der Familie Stojanovic (vorne) überzeugt. Foto: Caroline Holowiecki

Eine serbische Roma-Familie, die seit Jahren in Rohr lebt, soll durch Abschiebung auseinandergerissen werden. Da alle Mitglieder bestens integriert sind, wollen unzählige Menschen erreichen, dass sie bleiben dürfen. Mehr als 48 000 Unterschriften wurden am Mittwoch dem Innenminister übergeben.

Rohr - Alle lieben Kristijan. Der Elfjährige ist ein guter Schüler, außerdem ein begnadeter Geiger. Der Fünftklässler lernt am liebsten Englisch, „weil das eine richtige Fremdsprache ist“, wie er grinsend in akzentfreiem Deutsch erklärt. „Kristijan ist lieb, höflich, er bemüht sich. Er gehört zu uns“, sagt seine Lehrerin Christina Fischer. „Man kann so einem Kind nicht die Zukunft verbauen“, schiebt sie hinterher. Denn ob der Junge weiter in Deutschland lernen darf, ist ungewiss. Möglicherweise müssen er und seine Eltern zurück. Nach Serbien. In ein Land, in dem der Bub nie die Schule besucht hat und dessen Sprache er kaum beherrscht. In dem er als Roma wohl keine Aussicht auf eine Lehrstelle oder einen Job hat, da die Minderheit fortwährend diskriminiert wird.

Sohn und Tochter haben eine Ausbildung begonnen

Einige Mitglieder der Familie Stojanovic, die vor viereinhalb Jahren als Flüchtlinge nach Rohr kamen, sind von der Abschiebung bedroht. Dabei sind alle bestens integriert, versichert der Pfarrer Thomas Rumpf. „Alle sind ganz eifrig, ehrenamtlich zu helfen. Man spürt, sie wollen etwas zurückgeben.“ Die Familie hat eine Wohnung, Vater Mile (41) arbeitet seit zwei Jahren beim Malteser Hilfsdienst. Seine Frau Radmila (36) hatte einen Job als Reinigungskraft, bevor ihr die Arbeitserlaubnis entzogen wurde. Ähnlich erging es dem Sohn Stefan (17), der nach einem guten Hauptschulabschluss einen Ausbildungsplatz im Vaihinger Pullmann-Hotel als Restaurantfachmann ergattert hatte. Die Lehre musste er nach dem Entzug der Arbeitserlaubnis abbrechen – wegen guter Leistungen werde ihm der Platz jedoch freigehalten. Einzig Tochter Miljana (20) ist einen Schritt weiter. Sie hat am Universitätsklinikum Tübingen ihre Ausbildung zur Krankenpflegehelferin abgeschlossen und macht nun die Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin. Bereits mit 18 hätte sie abgeschoben werden sollen, mittlerweile hat sie nach Paragraf 25a des Aufenthaltsgesetzes eine Aufenthaltserlaubnis. Ein gleicher Antrag läuft derzeit für ihren Bruder Stefan.

In Rohr will man die drohende Abschiebung nicht akzeptieren

Die Härtefallkommission hat das Bleiberecht der Familie längst befürwortet, der Innenminister Thomas Strobl jedoch hat den Härtefallantrag kurz vor Weihnachten abgelehnt. In Rohr ist die Empörung groß. „Mein Gott noch mal, solche Leute können wir brauchen!“, wettert etwa Gudrun Nitsch vom Asyl-Freundeskreis. Auch der Pfarrer spricht von einem Skandal. Die Familie erfülle alle Erfordernisse nach dem Aufenthaltsgesetz. Im Vaihinger Ortsteil will man die Situation nicht akzeptieren – und hat eine Online-Petition gestartet. Die haben schier unglaubliche 48 300 Menschen unterzeichnet. Freilich sind darunter viele, die im Internet darauf gestoßen sind, aber auch am Wohnort der Stojanovics ist in Vereinen, Kirchengemeinden, Schulen geworben worden. Auch der Tübinger Verein Move on – Menschen-Rechte und der Landes-Flüchtlingsrat haben sich eingeschaltet. Die Unterschriften sind am Mittwoch im Büro des Innenministers abgegeben worden.

Solange der Sohn minderjährig ist, dürfen die Eltern bleiben

Auf dem Landespolitiker ruhen jetzt die Hoffnungen, selbst wenn etwa Sean McGinley vom Flüchtlingsrat Strobls Asylpolitik scharf kritisiert. Seit 2000 seien rund 10 000 Menschen in die Westbalkanstaaten abgeschoben worden – Serbien gilt als sicheres Herkunftsland –, mehr als 7000 in den vergangenen drei Jahren. Er spricht von Aktionismus. Sollte der Minister nicht auf die Petition reagieren, ist Plan B, für Stefan alsbald die Aufenthaltserlaubnis nach Paragraf 25a zu erwirken. Solange er minderjährig ist, würden auch die Eltern bleiben dürfen, wenn sie vorweisen können, dass sie ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können. Hierfür muss Radmila Stojanovic schleunigst ihre Arbeitserlaubnis wiederbekommen. Ein Wettlauf gegen die Zeit: denn schon im Juli wird Stefan 18. Ohne ihre ältesten Kinder auszureisen, für Mutter Radmila ist das unvorstellbar. „Wie kann man so was machen? Ich kann nicht dran denken.“