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Die Landeshauptstadt hat sich einen Haushaltsplan mit Superlativen gegeben. Weil bei den Steuereinnahmen der Rekordbetrag von 630 Millionen Euro wegbrach, wurde eine ebenfalls rekordträchtige Neuverschuldung von bis zu 446 Millionen vorgesehen.

Stuttgart - Die Landeshauptstadt hat sich einen Haushaltsplan mit Superlativen gegeben. Weil bei den Steuereinnahmen der Rekordbetrag von 630 Millionen Euro wegbrach, wurde eine ebenfalls rekordträchtige Neuverschuldung von bis zu 446 Millionen vorgesehen. Es wird aber auch investiert wie nie zuvor.und Konstantin Schwarz

Damit die "Hauptstadt der Kurzarbeit" (OB Wolfgang Schuster) trotz Wirtschafts- und Finanzkrise in den nächsten zwei Jahren 582 Millionen Euro investieren kann, mussten am Freitag bei der dritten Lesung des Stadthaushalts 2010/2011 alle Register gezogen werden. Der Grundsteuer-Hebesatz wurde gegen die Stimmen des bürgerlichen Lagers durch die öko-linke Mehrheit von jetzt 400 auf 520 Punkte angehoben. Das entspricht 30 Prozent und bringt jährlich 33,2 Millionen Euro zusätzlich. Auch die Hundesteuer brachten die Grünen und die SPD ins Gespräch. Sie zogen den Antrag aber vorläufig wieder zurück. Die Verwaltung will jedoch stärker kontrollieren und dadurch rund 250.000 Euro pro Jahr mehr eintreiben.

Der OB hatte sich zu Beginn auch genötigt gesehen, vor einer doppelten Belastung der Unternehmen durch höhere Gewerbesteuer zu warnen. Mit ihrer Forderung blieb die Fraktion SÖS/Linke allerdings allein.

Die Mehrheit setzte einen wichtigen Schwerpunkt bei den Schulen und der Kinderbetreuung. Binnen vier Jahren sollen 100 Millionen Euro zusätzlich zu den bisher üblichen Geldmitteln eingesetzt werden, um den Stau bei den Schulhaussanierungen anzugehen und Schulhöfe zu erneuern, weitere 20 Millionen für Neubauten und Erweiterungen. Bis Ende 2015 will die Stadt auf diese Weise 420 Millionen Euro zur Behebung des Sanierungsstaus und der in den nächsten Jahren bekanntwerdenden Mängel einsetzen. Erste Priorität haben neben einigen Außenanlagen die Sanierungen im Schickhardt-Gymnasium, in der Altenburgschule und am Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium. Das weitere Vorgehen soll eine Arbeitsgruppe bestimmen.

Weitere Kernpunkte des Doppeletats: Mit 47,5 Millionen Euro wird die Betreuung in Kindertagesstätten ausgebaut, allein in den Krippen entstehen bis zu 1200 zusätzliche Plätze für Kleinkinder, in den Regelkindergärten etwa 800. Die Schulsozialarbeit wird verstärkt. Zusätzliche Stellen gibt es auch, um die wachsende Zahl an Beziehern von Unterstützungsleistungen zu betreuen und Eltern nach der Geburt ihres Kindes "frühe Hilfen" bei der Erziehung zu gewähren.

Die Rekordverschuldung sei nur zu rechtfertigen durch die enormen "antizyklischen" Investitionen, erklärte OB Schuster (CDU). Er ging wegen der Steuersenkungen auf Bundesebene mit der neuen Regierung ins Gericht. Die Kommunen müssten das durch Schuldenaufnahme finanzieren. Finanzwirtschaftlich sei dies bestimmt nicht sinnvoll, volkswirtschaftlich vielleicht auch nicht. Damit war Schuster ausnahmsweise einer Meinung mit dem Grünen-Fraktionsvorsitzenden Werner Wölfle.

Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) kritisierte, dass die Grünen zu sehr auf Erhöhung der Einnahmen setzen würden. "Wir führen die öffentlichen Leistungen auf hohem Niveau fort - überspannen Sie den Bogen nicht. Erhöhen Sie nicht nur Steuern, kürzen Sie auch Ausgaben!", forderte er. Unter dem Strich bleibe den Bürgern durch das Drehen der Steuerschraube weniger Geld. Bis zuletzt musste darum gerungen werden, dass ein Etat zustande kam, der die Genehmigung durch das Regierungspräsidium erhalten kann. Dazu musste die letzte Fassung des Entwurfs am Freitag noch um 38,5 Millionen Euro entlastet werden. Fölls Vorschlag, ab dem Haushaltsjahr 2011 eine globale Minderausgabe von sechs Millionen Euro vorzusehen und die Einsparungen im Detail später zu bestimmen, wurde von der Mehrheit zunächst abgelehnt. Das würde unweigerlich Personaleinsparungen bedeuten, sagte der Grünen-Chef Wölfle, doch die Bürger wollten eine funktionierende Verwaltung. Um dem Ergebnishaushalt, früher Verwaltungshaushalt genannt, den nötigen Ertrag zur Tilgung von Krediten abzutrotzen, beschloss der Gemeinderat am Schluss aber doch noch so eine pauschale Minderausgabe für das Jahr 2011, allerdings nur in Höhe von 4,5 Millionen Euro. Andere Vorschläge blockte die öko-linke Mehrheit konsequenter ab. Ein Beispiel: Kürzungen bei der Kulturförderung sollen nach dem Willen der Mehrheit erst 2011 greifen, damit Auffanglösungen organisiert werden könnten.

Da man solchermaßen den Bürgerwünschen Rechnung trage, folge man auch mit der Erhöhung von der Grundsteuer dem Gebot der Ausgewogenheit, behauptete Wölfle. "Eigentlich müssten sich die bürgerliche Minderheit und die Verwaltung bei uns bedanken, denn sie haben ja keine anderen Vorschläge, um den Haushalt auszugleichen", meinte der Grünen-Fraktionschef.

Gegen Ende der Beratung zeichnete sich ab, dass das bürgerliche Lager den Haushalt ablehnen könnte - in erster Linie wegen der Erhöhung der Grundsteuer. Die CDU hielt allenfalls 495 Punkte für tragbar. Sie billigte auch nicht den Wirtschaftsplan fürs Klinikum der Stadt, was in erster Linie von einem Fünf-Millionen-Euro-Sockelzuschuss für das Olgahospital herrührte. Den hatten die Grünen in den Vorberatungen durchgesetzt, um Leistungen zu ermöglichen, die nicht von den Kassen bezahlt werden. Kämmerer Föll wollte davon drei Millionen wieder kassieren. Der Verzicht darauf würde aber die Ambulanz des Olgäle treffen und damit den Kernbereich des Krankenhauses, sagte Wölfle.