So viele Gräber wie die Stadt einst geplant hatte, braucht es in Stuttgart-Plieningen wohl nicht. Foto: Julia Bosch

Wenn neben dem Friedhof in Stuttgart-Plieningen Wohnraum geschaffen wird, soll auch der Anbau von Gemüse eine Rolle spielen. Örtliche Landwirte finden die Pläne wenig amüsant.

Plieningen - Nein, einfach sei die Fläche neben dem Friedhof in Plieningen nicht. Schließlich habe man dort unter anderem mit Lärm vom nahe gelegenen Flughafen und der Filderhauptstraße zu kämpfen. Zugleich aber sei die Lage im Ortszentrum sehr begehrt. Robert Schulze Dieckhoff aus dem Stuttgarter Amt für Stadtplanung und Wohnung hat in der jüngsten Bezirksbeiratssitzung die Pläne vorgestellt, auf der sogenannten Friedhofserweiterungsfläche in Plieningen Wohnungen zu bauen.

Weil sich heutzutage rund 70 Prozent der Menschen in einer Urne bestatten lassen und zusätzlich Alternativen wie Rasen- und Baumgräber immer beliebter werden, braucht man auf den Friedhöfen weniger Platz, als es einst geplant war. Schließlich nehmen Särge viel mehr Raum ein als etwa eine Urne oder ein Schild an einem Baum. Das bedeutet auch: Die Flächen, die die Stadt vorgesehen hat, um Friedhöfe in Stuttgart zu erweitern, könnten theoretisch anders genutzt werden. Und weil Wohnungen immer mehr zur Mangelware werden, haben Stadtplaner sechs Flächen in den Blick genommen, wo man theoretisch Wohnraum schaffen könnte – dazu gehört auch die Friedhofserweiterungsfläche in Plieningen.

90 Wohnungen mit jeweils zwei Bewohnern

Dabei ist nicht geplant, die gesamte 4,5 Hektar große Erweiterungsfläche zu bebauen. „Untersucht werden sollen 2,7 Hektar“, sagte Schulze Dieckhoff. Auf dem Gelände könnten laut den Stadtplanern voraussichtlich rund 90 Wohnungen mit je zwei Bewohnern gebaut werden.

Bevor die Pläne aber Realität werden könnten, müsste zunächst einmal der Flächennutzungsplan geändert werden. „Wir stufen bereits dies als schwer durchführbar ein“, sagte Schulze Dieckhoff. Und es gibt noch mehr Schwierigkeiten: Zum einen müsste eine Bebauung der grünen Fläche irgendwie ausgeglichen werden – so wie dies bei allen Eingriffen in die Landschaft die Regel ist. In der Praxis allerdings fehlen gerade in Ballungsräumen wie in Stuttgart und auf den Fildern geeignete Flächen. Zum anderen müssten artenschutzrechtliche Eingriffe ausgeglichen werden, wenn also etwa Tiere vertrieben oder Bäume gefällt werden.

Landwirt reagiert wütend

„Das alles wird zu Diskussionen mit der Landwirtschaft führen“, ahnte Robert Schulze Dieckhoff – und bekam in der Sitzung prompt recht. Michael Gehrung, der landwirtschaftliche Obmann von Plieningen, wütete: „Man kann nicht immer nur weiterbauen, man muss auch mal zufrieden sein mit dem, was wir haben.“ Außerdem kritisierte er, dass die Nachverdichtung auch dazu führe, dass der Mangel an Kitaplätzen und Sporthallen noch größer werde – und beides ist in Plieningen bereits prekär.

Auch die Ankündigung der Stuttgarter Stadtplanerin Kornelia Kerber, dass auf dem Plieninger Friedhofsareal unter dem Arbeitstitel „Das Dorf weiterbauen“ eine hofartige Bebauung geplant sei und unter anderem auch urbane Landwirtschaft realisiert werden solle, beruhigte den Landwirt nicht – ganz im Gegenteil. „Zwei Tomaten auf dem Balkon zu züchten, hat mit Landwirtschaft nichts zu tun“, echauffierte sich Michael Gehrung. „Wenn ich so etwas höre, dann fühle ich mich, als hätten wir den 1. April.“