Das Haus auf der linken Seite soll abgerissen werden und durch zwei knapp 20 Meter hohe und miteinander verbundene Gebäude ersetzt werden. Foto: Sebastian Steegmüller

Münchner Investor will in Gablenberg einen Gebäudekomplex mit 19 Wohneinheiten errichten.

Stuttgart Ost - Als „Neubau eines exklusiven 19-Familienhauses in schöner Hanglage mit Blick über die Stuttgarter Innenstadt“, bewirbt die ​Capital H Immobilien GmbH ein Bauvorhaben im Stuttgarter Osten. Auf dem Grundstück, das im Deyhleweg liegt, sollen die Bagger noch in diesem Jahr anrücken, die Fertigstellung ist bis spätestens 2021 geplant.

Auf die Innenstadt blickt man von Gablenbergs Halbhöhen zwar nicht, dennoch kann sich die Aussicht ins Neckartal durchaus sehen lassen. Anwohner, die in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem Bauplatz wohnen, haben jedoch Angst, dass sie bald nicht mehr uneingeschränkt in Richtung Bad Cannstatt schauen können. Darüber hinaus befürchten sie, dass der Neubau Schatten werfen und eine Frischluftschneise zerstören könnte. Auch der Tier- und Naturschutz sei nicht zu verachten, schließlich stehen auf dem Grundstück mehrere Bäume.

Angst vor dem Autoaufzug

Dementsprechend haben sie Einwendungen beim Baurechtsamt erhoben. Sie befürchten, dass ein „übergroßer Gebäudekomplex entstehen würde, der sich von der übrigen Bebauung im Deyhleweg stark unterscheiden würde“, heißt es in der Stellungnahme. „Der Neubau würde einen Fremdkörper darstellen, eine Belüftungsbarriere, die sich nicht in die nähere Umgebung einfügt.“ Das Bauvorhaben habe aufgrund seiner Größe eine erdrückende Wirkung auf die angrenzenden Grundstücke. Die erheblich größere Wohndichte sei unzumutbar.

Ein weiteres großes Problem stelle der Autoaufzug dar, der an der schmalen Wendeplatte am Deyhleweg geplant ist. 22 Stellplätze, die unter dem Neubau geplant sind, sollen über den Fahrstuhl erreichbar sein. Die Anwohner befürchten, dass es sich morgens und abends dort regelmäßig staut. Schon jetzt sei der Bereich so eng, dass Autofahrer dort kaum drehen können. Sobald jemand auf den Aufzug warten würde, sei alles dicht.

Baurechtsamt prüft Pläne

Vieles spricht offenbar gegen den Neubau, doch wie ist die rechtliche Lage? Die von den Anwohnern beauftragten Rechtsanwälte Christian und Matthias Goczol aus Stuttgart, spezialisiert auf Baurecht, vertreten die Rechtsauffassung, dass das geplante Bauvorhaben gegen die Ortsbausatzung aus dem Jahr 1935 verstößt.

Ob diese im konkreten Fall greift, sei noch offen, sagt Stadtsprecher Martin Thronberens nach Rücksprache mit den Experten des Baurechtsamtes. Grundsätzlich sei auf dem Grundstück ein Wohngebäude mit drei Stockwerken bei einer Gebäudehöhe von zwölf Metern plus einem sieben Meter hohen Dach zulässig. „Bei der Zahl der Stockwerke werden solche, die teilweise im Erdreich oder im Dachgeschoss liegen, nicht mitgerechnet.“ Die Zahl der Wohnungen sei indes nicht beschränkt. „Diese baurechtlichen Möglichkeiten gelten auch, wenn die vorhandenen Nachbargebäude niedriger sind und damit das Baurecht nicht ausschöpfen.“ Die Voraussetzung für eine Genehmigung sei, dass die oben genannte Rahmenbedingungen und die Abstände zu den Grundstücksgrenzen eingehalten werden. „Das Baurechtsamt wird das Vorhaben gründlich prüfen, um sicherzustellen, dass die Rechte der Nachbarn eingehalten werden“, sagt Thronberens. Diese abschließende Prüfung stehe aber noch aus. Bis zur Entscheidung werde man sich auch mit den Einwendungen der Nachbarn auseinandersetzen.

Mieterverein gegen „Gebäudekoloss“

Rolf Gaßmann hat sein Urteil schon gefällt. Der Vorsitzende des Mietervereins Stuttgart wohnt zufälligerweise auch in der Gegend. Seine Einschätzung sei aber sowohl als Nachbar, als auch in seiner Funktion identisch. „Ja, wir brauchen mehr Wohnungen und es muss deshalb mehr und auch verdichtet gebaut werden. Doch wegen der spezifischen Kessellagen Stuttgarts muss beim Bauen immer auch Rücksicht auf das Stadtklima genommen werden. Hier plant ein Münchner Investor offensichtlich ohne Rücksicht auf das Stadtklima. Gerade auch das mit Verkehr hoch belastete Gablenberg verträgt an seinen Hängen keine Gebäudekolosse, die als Riegel die Frischluftzufuhr abschneiden.“

Mehr Rücksichtnahme gefordert

Bereits Anfang des Jahres wurden die betroffenen Anwohner vom Baurechtsamt informierte, auch Karolin Hartmann, die in der Farrenstraße direkt unterhalb des geplanten Neubaus wohnt, hat Post von der Stadt erhalten. Wie ihre Nachbarn aus dem Deyhleweg wehrt auch sie sich gegen den „massiven Gebäuderiegel“. Es sei ein „Monsterkomplex“ geplant. Das Münchner Unternehmen gehe exakt an die Grenzen des Erlaubten und nutze auch die Hanglage vollkommen aus. „Das ist clever, aus Sicht der Gewinnorientierung“, sagt die Juristin, die für die Caritas tätig ist. Man müsse sich aber bewusst sein, dass es nicht um die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum gehe, sondern um den Bau von Luxus-Eigentumswohnungen. „Das Rücksichtnahmegebot wird missachtet.“

Die Capital H Immobilien GmbH wollte sich nicht zu dem Bauvorhaben äußern, da sie sich derzeit noch in den Planungen und Abstimmungen mit sämtlichen Beteiligten des Bauvorhabens befindet.