Indische Musik und indisches Essen: im Stuttgarter Rathaus wurde in der Stuttgart-Nacht die 50-jährige Städtepartnerschaft mit Mumbai zelebriert. Foto: Lichtgut / Ferdinando Iannone©

Der Charme öffentlicher Institutionen wie Rathaus, Landtag oder Oberlandesgericht lässt oft zu wünschen übrig. In der Stuttgart-Nacht konnte davon keine Rede sein.

Stuttgart - Schnell bewegt sich die lange Schlange am Samstagabend vorwärts, die sich kurz vor 19 Uhr vor dem Stuttgarter Rathaus gebildet hat. Passend zur 50-jährigen Städtepartnerschaft mit Mumbai stand das gesamte Rathaus in der Stuttgart-Nacht im Zeichen Indiens. Innen empfängt das Bollywood Maharaja Orchestra die Gäste im Erdgeschoss.

Im zweiten Obergeschoss werden die Hände von Besucherinnen mit aufwendigen und detailverliebten Henna-Mustern bemalt. Nebenan wird den männlichen Besuchern ein Turban gebunden nach traditioneller Wickeltechnik aus dem Bundesstaat Punjab. Das Prozedere dauert nur wenige Minuten, dann sitzt die Kopfbedeckung auch auf Stuttgarter Köpfen. Ein paar Meter weiter hängen die Werke von Anagha Mahajan. Darunter sogenannte Warli-Bilder, die Höhlenmalereien ähneln. Einen Anreiz zum Kommen und Verweilen bieten auch die Essensstände mit indischen Spezialitäten.

Packende Improvisationsshow im Keller des Landtags

Wenige Gehminuten entfernt könnte der kulinarische Kontrast größer kaum sein. Der Landtag serviert Alb-Kebap, einen gezupften Schweinebraten. Dutzende Sicherheitskräfte machen das Landesparlament zur wohl bestbewachten Institution der Stuttgart-Nacht. Drinnen ist die Stimmung entspannt, vorausgesetzt, man kommt rechtzeitig zu den Programmpunkten. Beim Poetry Slam im Plenarsaal sind die Sitzplätze schnell besetzt; stehend dürfen die Gäste der Vorführung nicht beiwohnen. Das verursacht viele enttäuschte Gesichter. Glücklicherweise gibt es nebenan beim politischen Kabarett mit Reiner Kröhnert noch Platz.

Das Highlight ist allerdings im Bürger- und Medienzentrum im Keller zu finden. Rapper Toba und Beatboxer Pheel liefern unterstützt von Toni Farras am Keyboard und Steffen Dix an Saxophon und Querflöte eine beeindruckende Improvisationsshow. Das Publikum wirft Begriffe wie „Feinstaubalarm“, „Tennisdamen“ und „Sommer“ ein, Rapper Toba verarbeitet die Worte spontan zu einer Geschichte in Reimform und begeistert damit die Zuschauer.

„Mord und andere Grausamkeiten“ finden Zuspruch

Auch im Oberlandesgericht, das zum ersten Mal bei der Stuttgart-Nacht mitmacht, ist der Andrang enorm. „Der vorgesehene Raum ist aus allen Nähten geplatzt“, sagt ein Mitarbeiter, darum habe man einige Programmpunkte in den größeren Saal 1 verlegt. Dort laden Familiensenatsmitglieder zu einem typischen Sorgerechtsfall ein, der normalerweise zum Schutz der Beteiligten hinter verschlossenen Türen verhandelt werden würde. Auch später bilden sich lange Schlangen vor den Sälen – etwa wenn Richter Joachim Spieth über „Mord und andere Grausamkeiten“ spricht. Im Saal 5 ist es etwas ruhiger. Hier sitzt Julia Lenzmann, Dozentin der Merz-Akademie, und erklärt, wie Gerichtszeichnungen entstehen.

Der Veranstalter der Stuttgart-Nacht, das Stadtmagazin „Lift“, zeigt sich mit der Resonanz sehr zufrieden. 10000 Besucher hätten die Angebote in der Stuttgart-Nacht wahrgenommen – so viele wie vergangenes Jahr. Und der Termin für 2019 steht auch schon fest: Samstag, 19. Oktober.