Stadtspaziergang zum stadtbekannten Stadtspaziergänger: Kolumnist Joe Bauer bei seiner Lesung im Innenstadtbüro unserer Zeitung. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

An mehr als 60 Orten in der Stadt ist in der Stuttgart-Nacht etwas geboten gewesen – auch im Stadtbüro unserer Zeitung, wo es um Stadtgeschichten und Kesselliebe ging.

Stuttgart - Lautlos schwirrt eine Minidrohne durch das Innenstadtbüro unserer Zeitung in der Geißstraße 4 am Hans-im-Glück-Brunnen. Haarscharf saust sie an den Köpfen der Neugierigen vorbei, die sich in der vom Stadtmagazin „Lift“ veranstalteten Stuttgart-Nacht hier eingefunden haben. „Kann man sich mit so einem Gerät auch föhnen?“ fragt Redakteur Tom Hörner den Drohnen-Piloten Angelo Felchle, eines der besten seines Faches, scherzhaft. Das wäre wohl ähnlich unpraktisch, wie der Versuch, sich mit einem Schwert zu rasieren.

Die Hiebwaffe ist Thema eines Gesprächs zwischen Lokalchef Jan Sellner und Cornelia Ewigleben, der Direktorin des Landesmuseums Württemberg. „Faszination Schwert“ lautet der Titel der neuen Sonderausstellung dort. Am Stuttgart-Morgen vor der Stuttgart-Nacht ist in der Kinderabteilung des Museums außerdem die Hotzenplotz-Ausstellung eröffnet worden; Otfried Preußler, der Schöpfer der beliebten Räuberfigur, wäre an diesem Tag 95 Jahre alt geworden. Ewigleben findet, dass Museen noch viel mehr für Kinder tun könnten. Sie gibt außerdem spannende Einblicke in die Museums-Konzeption. Man folge dem Ansatz, erst zu unterhalten und dann zu belehren so die Archäologin.

Hip-Hop-Geschichte wird lebendig

Auch der Abend in den Räumen der Innenstadt-Redaktion bietet eine Mischung aus Information und Kurzweil. Christoph Kern, Jungwinzer des Jahres und Erfinder der Weinserie „Kesselliebe“ oder Alexander Scheffel, der als DJ Fünfter Ton und Teil der Band Massive Töne Stuttgarter Hip-Hop-Geschichte geschrieben hat, vermitteln beide Insiderwissen. Während Kern auf die Wurzeln der Wengerterfamilie zurückblickt, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der Cottastraße ansässig war, erinnert sich der Plattenteller-Spezialist an die Anfänge als Musiker im Jugendhaus West, aber auch an die jüngst im Stadt-Palais gezeigte Ausstellung „25k“, die der Gründerzeit der hiesigen Hip-Hop-Szene huldigte. „Sogar mein Vater ist gekommen, um sie sich anzusehen“, erzählt er lachend.

Joe Bauer erweist sich bei seiner Lesung als Meister der Verknüpfung von Stadtgeschichte und bissiger Betrachtungen. En passant ruft er in Erinnerung, dass in der Geißstraße einst die Redaktion der Süddeutschen Arbeiterzeitung untergebracht war. Andererseits nimmt er die rhetorischen Unzulänglichkeiten von Landespolitikern aufs Korn und bricht eine Lanze für das Schwäbische.

Nur Antiquitäten und Spirituosen altern in Würde

Das dürfte den Liedermacher Pius Jauch aus Bösingen bei Rottweil freuen, der im schwäbisch-alemannischen Idiom textet und für die meisten Zuhörer wohl schwerer zu verstehen ist, als Mirjam Eppler, die Sängerin von Miricalls, die mit englischsprachigem Akustik-Pop zum musikalischen Teil des Programms beiträgt. Während die Stuttgarterin erfolgreich auf gute Laune setzt, schlägt Jauch nachdenkliche Töne an. Bei seinen Ansagen zu Liedern wie „Schwarzbrot mit Gsälz“ gibt der Dialekt-Künstler hochdeutsche Übersetzungshilfe.

Kulinarisches hat auch Kolumnist Tomo Pavlovic mitgebracht: Er philosophiert darüber, warum man ab einem gewissen Alter beim Metzger kein kostenloses Rädle Lyoner mehr bekommt und hält fest, nur Antiquitäten, gewisse Spirituose und Planeten könnten in Würde altern.

Den Gegenbeweis liefert die Vorführung des von den Redakteuren Kathrin Waldow, Siri Warrlich, Hannes Opel und Ingmar Volkmann produzierten Films „Willkommen in der Mutterstadt“, der eindrucksvoll zeigt: Max Herre oder Smudo sind weder Berufsjugendliche, noch zwanghaft seriös geworden. Zu später Stunde sorgt die Reportage nochmals für großen Andrang im Stadtbüro und für einen krönenden Abschluss der Stuttgart-Nacht.